ein Private Eye-Abenteuer
Als du durch den völlig verwilderten Garten zu dem kleinen, zweistöckigen Bauernhaus vordringst, schießt dir immer wieder nur ein einziger Gedanke durch den Kopf: „Das darf doch alles nicht wahr sein!“ Erst die strapaziöse, dreistündige Eisenbahnfahrt von London aus mit der „Great Western Railway“-Gesellschaft nach Stratford-on-Avon, dann mit einer Mietdroschke zwei Stunden Schleichfahrt über unebene, schlammige Feldwege, die dich fast zum Krüppel gemacht hätten, und jetzt stehst du hier im kalten Septemberregen auf einem Bauerndorf, dessen Namen du schon längst wieder verdrängt hast, um dir dein Erbe anzusehen! Und mittlerweile bist du dir sicher, dass dein verstorbener Onkel nicht nur verrückt war, wie jeder in der Familie wusste, sondern auch boshaft: Vor dir steht eine heruntergekommene Bruchbude mit schon auf den ersten Blick schadhaftem Strohdach, verbogenen Holzbalken, zahlreichen Rissen im Mauerwerk und teilweise geborstenen Scheiben. Im Inneren – nachdem du mit großem Kraftaufwand die vollkommen verzogene Haustür aufbekommen hast – sieht es nicht viel besser aus: überall Staub und Dreck, verschlissene Möbel, Schimmel an den Wänden und allgegenwärtig die Unordnung, für die dein Onkel früher schon immer berüchtigt war – sogar in der Bibliothek mit seinen heiß geliebten Büchern! Und aus der Küche dringt ein Geruch, der ziemlich genau ahnen lässt, dass der frühere Bewohner dieses Hauses seine Teller nach Gebrauch nicht allzu sorgfältig zu spülen pflegte. Es ist kalt und zugig, im zweiten Stock sogar so sehr, dass er derzeit nur von Mäusen und anderem Ungeziefer bewohnt wird. In der Bibliothek im Erdgeschoss gibt es zwar einen Kamin, aber der wurde anscheinend schon seit langem nicht mehr benutzt. Spätestens als du in den rückwärtigen Garten trittst und durch das fast knöchelhohe Gras zu dem kleinen, windschiefen Schuppen stapfst, bemerkst du den Grund: Dein Onkel besaß kein Feuerholz. Kurz verweilst du an dem Bach, der das Grundstück hinter dem Haus begrenzt und in dem der Trunkenbold in schwer alkoholisiertem Zustand zu Tode kam; dann gehst du zum Haus zurück. Was hatte ihn nur in diese Provinz getrieben? Von London aus gesehen war zwar alles Provinz, aber in Stratford-on-Avon gab es immerhin das renommierte Shakespeare-Theater, von dem man meinen sollte, dass es einen anerkannten Shakespeare-Kenner wie deinen Onkel besonders interessiert hätte! Warum war er nicht dorthin gezogen, sondern in dieses … Dorf? Und was solltest du mit dem Haus anfangen, das jetzt dir gehörte? Hier leben bestimmt nicht! Vielleicht wäre es doch das Beste, das Haus an den netten Freund deines Onkels zu verkaufen, der dir das Angebot auf der Beerdigung unterbreitet hatte! Über den Preis würdet ihr euch schon einigen. Wenn er das Haus aber erst mal gesehen haben würde, würde bestimmt auch er einen Rückzieher machen…
Ein Trauerfall
Der Onkel eines der Detektive, Sebastian Hallerton, ist vor kurzem ums Leben gekommen.
Der 73 Jahre alte, als verschroben geltende ehemalige Linguistik-Professor am City of London College hatte sich vor zwei Jahren (also 1891) überraschenderweise ein Haus in dem kleinen Bauerndorf Wilmcote in der Grafschaft Warwickshire (in der benachbarten Grafschaft West Midlands liegt immerhin die bedeutende Industriestadt Birmingham) gekauft und war von London weg in die Provinz gezogen, wo er fast vergessen worden wäre, bis …
… ja, bis sich eines Tages der renommierte Londoner Rechtsanwalt Augustine Greenland bei dem besagten Detektiv meldet, um ihm mitzuteilen, dass Mr. Hallerton einen tödlichen Unfall erlitten habe und der Detektiv mangels Testament und anderer näherer Verwandter laut Gesetz der Alleinerbe des nicht unbeträchtlichen Hallerton-Vermögens sei. Zu dieser Erbschaft gehört natürlich auch das Haus in Wilmcote.
Sebastian Hallerton war als Liebhaber schottischen Whiskys bekannt und hatte sich bereits zu Londoner Zeiten bisweilen vollaufen lassen wie ein ganzes Regiment von Soldaten. Niemand wunderte sich daher, dass er nachts in volltrunkenem Zustand kopfüber in den Bach hinter seinem Haus gefallen und dort ertrunken war. Der Bach ist zwar an den meisten Stellen nur knietief, auf seinem Grund verbergen sich aber einige große Steine, die Hallerton zum Verhängnis geworden sind: Der Sturz hatte ihm wohl das Bewusstsein geraubt, weswegen er trotz der geringen Wassertiefe ertrank. Da die Leiche, als sie am nächsten Morgen gefunden worden war, immer noch überdeutlich nach Alkohol stank, entschied der zuständige Coroner aus Stratford auf Unfalltod und gab den Toten zur Beerdigung frei.
Während der Begräbniszeremonie auf dem kleinen Friedhof West London Cemetary an der Old Brompton Road lernt der Detektiv David Hemmings kennen, einen – nach Selbstauskünften – alten Freund seines Onkels, der in den letzten Jahren allerdings auch nur noch in losem Briefkontakt zu ihm stand (der Spielleiter sollte diese Begegnung nur beiläufig in seine Beschreibungen einflechten, damit der Spieler ihr nicht sofort zu viel Bedeutung beimisst!). Nach seiner Aussage ist Hallerton aufs Land gezogen, weil er in seinem Alter den Londoner Trubel satt hatte. Hemmings trägt sich bereits seit längerem mit demselben Gedanken, weshalb er dem Detektiv spontan anbietet, ihm das Haus abzukaufen. Dieser wird es sich vorher aber wenigstens mal ansehen wollen – schon allein aus Neugierde darüber, wie sich sein Onkel, früher ein gefürchteter Salonlöwe, in einem Landstrich eingerichtet hat, der zu etwa 90% aus Weiden, Äckern und Feldern besteht und landschaftlich außer dem „Woodland“ im Norden, weiten Ebenen und niedrigen Hügeln rein gar nichts zu bieten hat.
Der vorliegende Kriminalfall eignet sich gut für nur einen Spieler und einen Spielleiter. Natürlich kann er auch mit Cthulhu (1890 oder 1920) gespielt werden. In diesem Fall muss der Spielleiter (SL) natürlich einige Änderungen vornehmen: So kann es sich bei Sebastian Hallerton um einen Kultisten gehandelt haben, der sich in dem Haus in Wilmcote einnistete, um in Ruhe nach einem bestimmten Artefakt zu suchen. Hallertons Feinde, Anhänger eines unheiligen Götzen, sind natürlich nicht untätig, sondern versuchen den Gegenstand für sich selbst zu gewinnen. Nach Hallertons Tod gehen sie dann gegen die neuen Hauseigentümer, die Detektive, vor …
Mit welchem System das Abenteuer auch gespielt wird: Nehmen mehr als ein Spieler daran teil, sollten die übrigen Detektive den Erben bereits auf seine Erkundungstour nach Warwickshire begleiten, damit die betreffenden Spieler nicht zu lange untätig herumsitzen.
Der Hintergrund
Obwohl die Detektive nichts ahnen können, wissen es die Spieler natürlich, da sie sich in einem Private Eye-Abenteuer befinden: Sebastian Hallertons Tod war kein Unfall, sondern ein zwar spontan geplanter, aber dafür eiskalt ausgeführter Mord! Wie sie im Verlaufe des Kriminallfalls herausfinden werden, spricht vieles für eben jenen David Hemmings, der dem neuen Hauseigentümer sein Erbe abkaufen will, als Mörder. Vielleicht hätte er Hallerton auch tatsächlich irgendwann umgebracht, wenn dieser nur lange genug gelebt hätte; aber ein anderer kam ihm zuvor …
William Shakespeare
Die Vorgeschichte zu den in diesem Kriminalfall geschilderten Ereignissen beginnt über 300 Jahre früher, genauer gesagt: im Jahre 1564. Im Frühjahr 1564 wird das kleine, beschauliche Städtchen Stratford am Oberlauf des Avon von einer schweren Pestepidemie heimgesucht. Der angesehene Handwerker und spätere Bürgermeister John Shakespeare flieht mit seiner hochschwangeren Frau Mary vor dem Schwarzen Tod auf sein Landgut Asbies, das Mary als Erbe von ihrem Vater mit in die Ehe gebracht hat. Dort, in dem Weiler Wilmcote – nahe bei Stratford gelegen, aber doch in sicherer Entfernung zu der Epidemie -, gebiert sie am 23.4. ihren ersten Sohn William. Als die Pest abgeklungen ist, kehren John und Mary mit dem kleinen William in die Stadt zurück. 21 Jahre später – mittlerweile selbst verheiratet und mehrfacher Vater – geht William nach London, wo er zu einem erfolgreichen Schauspieler und Bühnenschriftsteller aufsteigt. Ab 1596 wohnt er mal in London und mal in Stratford; 1610 kehrt er endgültig nach Stratford zurück. In London, wo er nach wie vor Miteigentümer des renommierten Globe Theatre ist, taucht er nur noch sporadisch auf. 1616 stirbt er in Stratford an einer Grippe.
William Shakespeares 37 Dramen und seine übrigen Gedichte entstehen zwischen 1589 und 1612. Wenn er in Stratford weilt, zieht er sich immer wieder auf das Gut Asbies zurück, weil er in der dörflichen Abgeschiedenheit von Wilmcote genügend Zeit und Muße zum Schreiben findet. 1620 gerät jedoch Shakespeares Sohn und Erbe Hamnet aufgrund einer landwirtschaftlichen Krise in Not und muss das Gut verkaufen. In den nächsten Jahrhunderten geht es durch die verschiedensten Hände und wird nicht immer gut behandelt: Nur das ehemalige Haupthaus, in dem die Familie Shakespeare wohnte, wenn sie in Wilmcote weilte, bleibt erhalten (wenn auch in einem schauderhaften Zustand); die anderen Gebäude des Landgutes werden nach und nach abgerissen, die Ländereien verkauft.
Prof. Sebastian Hallerton
Vor mittlerweile etwa 2½ Jahren wühlte Prof. Hallerton, der seinen frisch erworbenen Ruhestand dazu nutzen wollte, ein dickes Buch über die Londoner Jahre von Shakespeare und dessen Konkurrenten Christopher Marlowe zu schreiben, wie schon so häufig zuvor während seiner Universitätslaufbahn in den spärlichen Archivbeständen aus dem 16. Jahrhundert des Ambassadors-Theaters in der Londoner West Street, dem ehemaligen Globe-Theater. Diesmal aber fiel ihm etwas auf, was er bisher immer übersehen hatte:
Er blätterte gerade wieder einmal eines der wenigen erhaltenen Original-Manuskripte – der Komödie „Die lustigen Weiber von Windsor“ – durch und entdeckte dabei ein Papier mit der Handschrift des Dichters, das offensichtlich nicht zu den „Lustigen Weibern“ gehörte. Vielmehr schien es der Auszug eines anderen, unbekannten Stücks zu sein. Hallerton las ihn und witterte eine Sensation: Es handelte sich eindeutig um eine Eloge auf eine Königin, und im Geiste ging er rasch Shakespeares Werk durch; welche bedeutende Herrscherin der Geschichte hatte er noch nicht zur Figur eines seiner Dramen gemacht? Er konnte sich niemand anderes vorstellen als die englische Königin aus Shakespeares eigener Zeit, die von ihm bewunderte und 1603 verstorbene Elizabeth. Shakespeare hatte also ein Drama über Queen Elizabeth geschrieben. Stoff wäre genug dagewesen: Ihre lebenslange Ehelosigkeit, ihre tragische Liebesbeziehung zum Grafen von Leicester, ihr gescheiterter Versuch, protestantische und katholische Untertanen miteinander zu versöhnen…
Hallerton überlegte, wo der Rest des Manuskripts sein könnte, wenn es überhaupt noch existierte: Shakespeares Hinterlassenschaft im Globe-Theather war gut dokumentiert; dasselbe galt für sein (angebliches) Geburtshaus in Stratford-upon-Avon, in dem sich nun ein Museum befindet. Also blieb nur das Haus in Wilmcote, von dem Hallerton wusste, dass der Dichter sich nach Ende seiner Londoner Zeit oft dort aufgehalten hatte (Der Umstand, dass das Drama unbekannt geblieben war, deutete auf eine Fertigstellung erst kurz vor Shakespeares Tod hin!). Dazu kam die revolutionäre Vermutung, dass der Dichter dort auch geboren war.
Die Vorstellung, ein unbekanntes Manuskript von Shakespeare zu finden und damit seine wissenschaftliche Karriere zu krönen, entwickelte sich bei ihm zu einer fixen Idee. Er kaufte in Wilmcote das Grundstück, das einst Shakespeare gehört hatte, entsagte der Hauptstadt und nistete sich in der Provinz ein. Dort suchte er in aller Ruhe nach dem Manuskript und ließ sich in seiner Theorie auch nicht dadurch beirren, dass das einst stolze Gut Asbies mittlerweile nur noch aus einem einzigen heruntergekommenen Haus bestand, in dem er nicht viel mehr zu Tage brachte als Mäuseexkremente. Auch den Schluss, bei der allgegenwärtigen Feuchtigkeit in dem aus Holz und Ziegelsteinen bestehenden Haus würde sich ein Bündel Paper schon bald in Luft aufgelöst haben, wenn es nicht luftdicht verpackt wäre, zog er nicht. Hallerton war überzeugt davon, eines Tages Erfolg zu haben. Falls ihm während seiner Suche allzu langweilig wurde, fuhr er ins nahe Stratford, um sich eine Inszenierung des kleinen, aber feinen Shakespeare Memorial Theatres anzusehen oder das Grab des Dichters in der Dreifaltigkeitskirche zu besuchen. Außerdem gab es in Stratford den Shakespeare-Experten Samuell Hunsdon, mit dem er ausgiebig fachsimpeln konnte. Nebenbei ging er seiner zweiten Theorie nach, die besagte, dass Shakespeare nicht in Stratford, sondern in Wilmcote zur Welt kam; diese war es, die ihm letztendlich zum Verhängnis wurde.
Dr. David Hemmings tritt auf
Hallertons großer akademischer Rivale David Hemmings wunderte sich natürlich sehr, dass der Gelehrte aus London verschwand, anstatt hier das Buch zu schreiben, mit dem er immer so geprahlt hatte. Da Hallerton immer ein bisschen besser als Hemmings gewesen war und er ihm keinen weiteren Triumph gönnte, beruhigte ihn dessen Umzug nicht, sondern machte ihn im Gegenteil noch misstrauischer. Er fand schnell heraus, wohin Hallerton verzogen war und besuchte ihn in Wilmcote. Beim ersten Mal bekam er von diesem nur die üblichen hochnäsigen und arroganten Sprüche zu hören, so dass er weitere Besuche folgen ließ. Zunächst entlockte er Hallerton nur etwas von einer „bevorstehenden wissenschaftlichen Sensation“, die ihn – Hemmings – „endgültig zerschmettern“ würde. Hallertons Whisky-Vorliebe war es schließlich zu verdanken, dass er das ganze Geheimnis seines Konkurrenten erfuhr. Obwohl Hallerton von der Existenz des Manuskripts irgendwo auf dem Gut Asbies absolut überzeugt zu sein schien, war er selbst unschlüssig, ob er an die Existenz dieses unbekannten Manuskripts glauben sollte. Um auf jeden Fall sicherzugehen, dass Hallerton auch keinen Erfolg hatte, suchte er ihn regelmäßig in seinem Haus in Wilmcote auf und horchte ihn dort vorsichtig aus (was wegen Hallertons Trunksucht auch nicht schwer war).
Der Mord
In alten Kirchenakten in Stratford fand Hallerton Hinweise darauf, dass an seiner Theorie über Shakespeares wahren Geburtsort tatsächlich etwas dran sein könnte. Bei einem Kneipenbesuch konfrontierte er seinen Freund Hunsdon damit, und beide gerieten in einen leidenschaftlichen, aber stets sachlichen Meinungsstreit darüber. So sachlich-wissenschaftlich wie sein Vater sah aber der ebenfalls anwesende Robert Hunsdon die Sache gar nicht: Für ihn ging es um handfeste finanzielle Interessen. Als Leiter des (privaten) Museums in Shakespeares Geburtshaus in der Henley Street kamen ihm sämtliche Einnahmen aus den Eintrittsgeldern der Besucher, die aus allen Landesteilen herbeiströmten, zugute. Diese stetig sprudelnde Geldquelle sah er schon versiegen, wenn einer der renommiertesten Shakespeare-Forscher öffentlich anzweifeln würde, dass der Dichter tatsächlich in dem „Geburtshaus“ in Stratford zur Welt gekommen war. Und da er sich vor kurzem ohne Wissen seines Vaters für einen Grundstückskauf in London stark verschuldet hatte, lagen seine Nerven schnell blank. Er suchte Hallerton in Wilmcote auf – nur, um ihn von seiner Theorie abzubringen, wie er sich selbst beruhigend einredete. Allerdings muss er mit dem, was nun folgte, zumindestens unterbewusst gerechnet haben, da er darauf achtete, von niemandem gesehen zu werden: Wie schon fast zu erwarten war, lachte ihn Hallerton nur aus; also lockte er zu späterer Stunde seinen volltrunkenen Gegner in den Garten und schubste ihn dort in den Bach, wo er mit dem Kopf unter Wasser liegenblieb.
Hemmings weitere Schritte
Über Hallertons „Unfall“ ist sein wissenschaftlicher Rivale Hemmings anfangs naturgemäß nicht sehr betrübt. Bald allerdings schon bereut er dessen Tod – nicht, weil er plötzlich Mitleid mit Hallerton bekommen hätte, sondern weil er mittlerweile auch fest von der Existenz des Manuskriptes überzeugt ist und es nun für ihn schwieriger wird, dranzukommen. Er versucht jetzt – zunächst im Guten – Hallertons Erben das Haus abzukaufen. Geht dieser nicht auf den Vorschlag ein, greift er zu radikaleren Methoden und versucht ihn von dem Grundstück „wegzuekeln“. Aufgabe der Detektive ist es herauszufinden, was Hallerton ausgerechnet in Wilmcote wollte, seinen Mörder zu überführen und womöglich die Existenz des angeblich unbekannten Manuskripts zu klären.
Das Manuskript
Hallerton hatte bezüglich des Manuskriptes halb Recht, allerdings auf eine Weise, die ihn selbst tief enttäuscht hätte: Der Textauszug, den er im Archiv gefunden hat, stammt tatsächlich aus einem Drama von Shakespeare, in dem die spätere Königin Elizabeth vorkommt. Allerdings handelt es sich um kein unbekanntes Stück, sondern um „Heinrich VIII.“, das von eben jenem König Heinrich VIII. und seiner unglücklichen Frau Anne Boleyn, die er später köpfen ließ, handelt. Darin spielt auch Elizabeth, die Tochter von Heinrich und Anne und künftige Königin Englands, eine kleinere Rolle. Der Literaturwissenschaft – und damit auch Hallerton – ist zwar bekannt, dass Shakespeare gegen Ende seines Lebens einige Theaterstücke wie „Perikles“ und „Die zwei edlen Vettern“ – veröffentlichte, die er zusammen mit anderen Autoren geschrieben hatte. Unbekannt ist aber, dass auch „Heinrich VIII.“, als dessen Alleinautor immer Shakespeares Zeitgenosse John Fletcher angesehen wurde, ein solches Gemeinschaftswerk ist. Schon allein das stellt eine wissenschaftliche Sensation dar – aber bei weitem natürlich nicht mit der Sensation vergleichbar, um die es sich handeln würde, wenn ein gänzlich „neues“ Shakespeare-Stück über Königin Elizabeth gefunden worden wäre.
Die Schauplätze
Wilmcote
Das Dorf Wilmcote, Schauplatz dieses Kriminalabenteuers, ist ein Ort, wie er für jemanden aus der Hauptstadt nicht verschlafener und trostloser sein könnte: nur etwa 500 Einwohner bei mindestens doppelt soviel Schafen, überwältigender Gestank nach Viehdung, innerorts fast nur – in den meisten Fällen auch noch ziemlich heruntergekommene – Bauernhöfe, ringsherum nur Äcker in einer landschaftlich ziemlich reizlosen Gegend, scheue Dörfler, im derzeitigen Monat September permanenter Nieselregen und daraus resultierend schlammige Wege. Und das Schlimmste: Wilmcote ist auch noch ziemlich von der Außenwelt abgeschnitten. Stratford ist zwar nur rund 20 Kilometer entfernt, aber wegen der schlechten Wege dauert rund zwei Stunden, dorthin zu kommen. Und wer keine eigene Kutsche hat, ist auch noch darauf angewiesen, sich von einem Bauern, der gerade in die Stadt fährt (was nicht oft vorkommt), mitnehmen zu lassen. Einen Telegraphen gibt es in Wilmcote übrigens nicht; Briefe werden einmal die Woche (samstags) aus Stratford gebracht.
Landwirtschaft und Schafzucht stellen also den Haupterwerb der Dorfbewohner dar. Einige von ihnen züchten in den Weihern rund um Wilmcote auch Fische, weshalb sie es nicht so gern sehen, wenn jemand darin badet (wonach es den Detektiven bei den derzeitigen Wetterverhältnissen allerdings auch kaum verlangen dürfte). Sonstiges Gewerbe gibt es nur wenig: Da ist einmal ein kleiner Pub namens „Queen Victoria“ (Fremdenzimmer gibt es hier keine), dann ein Krämerladen und die Werkstatt eines Zimmermanns. In dem klitzekleinen Rathaus, das sich optisch von den anderen Häusern des Dorfes nur unterscheidet, weil es direkt am Dorfanger liegt und von keiner Hecke, sondern einem halbhohen Eisenzaun umgeben wird, befindet sich neben der Amtsstube des Bürgermeisters und der des Dorfpolizisten auch das Schulzimmer, in dem die Dorfjugend unterrichtet wird; in einer kleinen Wohnung darüber lebt die Lehrerin. Bürgermeister und Dorfpolizist sind beide im Hauptberuf Bauern und daher nur gelegentlich anwesend. Eine Kirche gibt es nicht; Dorfbewohner, die einen Gottesdienst besuchen wollen, müssen sich sonntags in das benachbarte Dorf Aychiffe begeben. Zweimal im Monat kommt der anglikanische Vikar von Aychiffe nach Wilmcote, um im Rathaus den Gläubigen die Beichte abzunehmen.
Das Landgut Asbies
Natürlich wird sich der Erbe von Sebastian Hallerton ziemlich geehrt vorkommen, wenn er im Laufe des Kriminalfalls erfährt, dass das heruntergekommene und vermeintlich wertlose Grundstück in einem verschnarchten Nest in Wirklichkeit früher Eigentum des größten britischen Dichters aller Zeiten war – dieser eventuell sogar da geboren ist (einen endgültigen Beweis dafür gibt es nicht). Bis dahin empfindet er sein Erbe aber eher als Strafe und wird wahrscheinlich nur aus reiner Neugierde einmal von London aus herfahren, bevor er überlegt, auf Hemmings Kaufofferte einzugehen.Der Garten
Dies ist der genaue Schauplatz des „Unfalls“. Weder Hallerton noch der Voreigentümer scheinen jemals Arbeit in den Garten auf dem etwa 1.200 Quadratmeter großen Grundstück gesteckt zu haben: So wird sowohl im Vor- als auch im rückwärtigen Garten der Boden bedeckt von zahlreichen verfilzten Büschen, dornenbewehrten Sträuchern, Schlingpflanzen und mindestens kniehohen Gräsern. Und wenn das Grundstück in seinem Rücken nicht von einem Bach begrenzt würde, wäre wahrscheinlich auch bereits der dichte Nadelwald, der sich jenseits des Baches befindet, bis an das Haus herangewachsen. Inmitten des wogenden Grasmeeres steht in der linken Ecke des rückwärtigen Gartens (vom Haus aus gesehen) ein kleiner Geräteschuppen aus Holzlatten, in dem sich lediglich zwei schmutzige Pferdedecken, eine Schaufel und eine Sense befinden – letztere so verrostet, dass sie anscheinend seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurde. Auch die Schaufel ist verrostet; auf dem Blatt klebende Erdspuren weisen jedoch darauf hin, dass sie in letzter Zeit benutzt worden ist (s.u.).
Der Bach, der die hintere Grundstücksgrenze bildet, ist vom Haus aus etwa 60 Meter entfernt (und wegen der üppigen Vegetation von dort auch nicht einsehbar). Ein an manchen Stellen bis zu einem Meter breiter ausgetrampelter Pfad verbindet beide Orte. Auf ihm ist jedoch bei Regen auch nicht angenehmer zu gehen als durch das Gras, denn man versinkt knöcheltief im aufgeweichten Boden. Spuren des „Unfalls“ sind natürlich längst nicht mehr zu erkennen. Die Wassertiefe des Bachs misst bis zu 40 Zentimeter; auf seinem Grund liegen viele, teilweise große Steine, die Hallerton wohl zum Verhängnis geworden sind.
An den anderen drei Seiten wird das Grundstück von einer etwa einen Meter hohen, sehr schadhaften Mauer umgeben. Unmittelbare Nachbarn gibt es zu keiner Seite; das nächste Haus ist etwa 50 Meter – zusätzlich durch eine kleine Baumgruppe getrennt – entfernt. Hinter dem Haus befindet sich eine kleine, geflieste Veranda, die durch eine Glastür von Hallertons Wohnzimmer aus betreten werden kann. Direkt neben der Veranda steht an der Hauswand eine (halb gefüllte) Regenwassertonne.Das Wohnhaus
Natürlich stehen die Detektive in dem Haus nicht auf denselben Dielen, auf denen vor fast 300 Jahren bereits Shakespeare gestanden hat – jedenfalls im Obergeschoss definitiv nicht. Das Haus, das früher tatsächlich einmal das Herrenhaus des Landgutes war, ist seit Shakespeares Zeiten mehrere Male um- und ausgebaut worden. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Erdgeschoss noch einzelne Raumteile existieren, in denen sich bereits der Dichter aufgehalten hat. Der Keller wurde dagegen erst im frühen 19. Jahrhundert zugefügt, was bei genauerer Betrachtung auch auffällt: Gemessen am sonstigen Zustand des Hauses ist er in einem recht guten Zustand. Hallerton allerdings hat das niemals bemerkt und daher seine Zeit hauptsächlich mit Suchen im Keller verbracht.
Das Haus ist zugig und feucht, das Strohdach an mehreren Stellen schadhaft und der Holzboden in beiden Geschossen so morsch, dass man vor allem im Obergeschoss ständig fürchten muss, mitsamt den Dielen ein Stockwerk tiefer zu stürzen. Die aus verputzten Steinziegeln und Holz bestehenden Wände des Fachwerkhauses sind an einigen Stellen ebenfalls nicht im besten Zustand. Im Obergeschoss haben mehrere Fensterscheiben Sprünge. Schadhafte Glasscheiben im Erdgeschoss hat Hallerton immerhin austauschen lassen; den Wind halten allerdings auch sie nicht sehr wirkungsvoll ab.Die Zimmer
Hallerton hat sich nur einige der vielen Zimmer des Hauses hergerichtet, um darin zu wohnen: ein Wohn- und Studierzimmer, eine Küche, eine Schlafkammer und eine Abstellkammer – alle im Erdgeschoss, weil es ihm im Obergeschoss schlicht zu kalt war.
Das Wohn- und Studierzimmer, der wohl trockenste und gemütlichste Raum des Hauses, wird von einem großen Kamin an der Westwand dominiert. Wie in der Einleitung bereits angedeutet, hat ihn Hallerton allerdings mangels Feuerholz nie benutzt. In einer Zimmerecke steht ein zerschlissener, sichtlich ausgebesserter Lesesessel (mit einer dicken Wolldecke darauf); vor einem Flügel der Glastür, die hinaus auf eine Veranda und von da aus in den Garten führt, befindet sich ein etwas wackliger Schreibtisch, auf dem (und in den beiden unverschlossenen Schreibtischschubladen) neben Schreibzeug allerhand Papiere liegen. In der Mehrzahl handelt es sich um Aufzeichnungen zu Hallertons geplantem Buch, die er teils bereits in London, teils in Stratford und zum größten Teil hier gemacht hat. Ein Tagebuch oder etwas ähnliches hat er leider nicht geführt. Trotzdem können die Detektive einen wichtigen Hinweis auf den Hintergrund des Kriminalfalls finden: Unter den Papieren befindet sich auch die Abschrift des Manuskriptauszuges (s.u. Abschnitt „Die Indizien“). Auf einem Bücherregal stehen ungefähr 25 Bücher meist von oder über Shakespeare, die Hallerton aus London mitgebracht oder in Stratford gekauft hat. Die Feuchtigkeit tut ihnen nicht unbedingt gut. Auf dem Dielenboden liegt ein dicker, schmutziger Teppichläufer.
In der kleinen Schlafkammer befinden sich außer einem unbequemen Holzbett mit dünner Strohmatratze noch ein Nachtischchen und der Eingang zu einem begehbaren Schrank mit Hallertons Garderobe. In der Ecke der Kammer stehen ein kleiner Steinkrug und die dazugehörige Schale, mit denen der Hausherr immer seine Morgentoilette zu machen pflegte. Hallertons Garderobe macht einen spärlichen und ärmlichen Eindruck, was vor allem daran liegt, dass die Feuchtigkeit sowieso alle Kleider verderben würde; deswegen hat er nur wenige alte Sachen aus London mitgebracht (den Rest verschenkte er). Allerdings hat er – um im Notfall „vorzeigbar“ sein – eine Garnitur teurer Kleidung (Anzug, Krawatte, Hut, Handschuhe, Gamaschen, Schuhe) bereitgehalten und mit mehreren Decken gegen Nässe geschützt. Die dazugehörigen Schuhe benutzt er übrigens öfter als den Rest – er hatte nur zwei Paar -, weshalb sie getrennt von den übrigen Sachen unter dem untersten Regalbrett stehen. Hallerton hat sie wegen der Nässe mit Papier ausgestopft – allerdings nicht mit Zeitungspapier, weil er das gerade nicht zur Hand hatte, sondern mit Schreibpapier. Auf einem von ihnen befindet sich ein für die Detektive interessantes Schreiben (s.u. Abschnitt „Die Indizien“).
In der Küche ist nichts Interessantes zu finden: ein hölzerner Tisch mit zwei Stühlen, ein kleiner Herd mit in den Garten führendem Ofenrohr, ein Schränkchen mit Steingut- und Zinngeschirr, ein zweites Schränkchen mit einigen vollen und vielen leeren Whisky-Flaschen. In einem Leinensack unter dem Herd bewahrte Hallerton einen kleinen Kohlenvorrat auf. An Lebensmitteln finden sich hier lediglich einige Gewürzdöschen. Auf dem Tisch stehen übrigens zwei Whiskyflaschen (eine halbvoll, eine leer) und daneben ein benutztes Glas. Hier führten Hallerton und Robert Hunsdon ihr letztes Gespräch, bevor Hallerton umkam. Hunsdon kehrte nach der Tat eiskalt in die Küche zurück und stellte sein eigenes, ebenfalls benutztes Glas zurück in den Geschirrschrank. Dort wird es aber kaum auffallen, da es zwischen mehreren ungespülten Geschirrstücken steht. Zum Spülen benutzte Hallerton (wenn überhaupt) übrigens eine Steinschale, die im Keller bei seinen Lebensmitteln steht (s.u.). Wasser – auch zur körperlichen Hygiene – schöpfte er entweder aus der Wassertonne auf der Veranda oder aus dem Bach.
In der Abstellkammer befinden sich lediglich die Koffer, die Hallerton aus London mitgebracht hat.
Die übrigen Zimmer stehen teilweise leer, teilweise befinden sich noch ausrangierte Möbelstücke unter ihnen. Hier kann sich die Gruppe beispielsweise die restlichen Betten zusammensuchen, die sie noch für ihre Übernachtung benötigt. Die drei Kellerräume sind komplett leer, bis auf ein Regal, auf dem Hallerton seine Lebensmittel lagerte (Gemüse und derzeit nicht mehr ganz so frisches Fleisch, das er von den Bauern des Dorfes erworben hat).
Im ganzen Haus – im Obergeschoss weniger – gibt es viele Mäuse (was bei dem verwahrlosten Garten nur zu verständlich ist).Die Spuren der Suche
Mehr als zwei Jahre hatte Hallerton Zeit, um mit einem Helfer (s.u. Abschnitt „Die Personen“) das Haus zu durchsuchen – an den Garten hat er sich noch nicht herangetraut. Natürlich waren die beiden nicht jeden Tag tätig; manchmal blieb die Arbeit sogar wochenlang liegen. Trotzdem haben sie natürlich einige Spuren hinterlassen, die den Detektiven Aufschluss darüber geben, dass Hallerton im Haus etwas suchte (wenn sie auch nicht wissen, um was es sich handelte). So haben Hallerton und sein Helfer in sämtlichen Räumen die Bodendielen herausgerissen; in den meisten Fällen jedoch sorgfältig wieder eingesetzt, sobald sich herausgestellt hatte, dass sich nichts darunter befand als Schmutz und Ungeziefer. In einigen Räumen im Obergeschoss fehlen die Dielen jedoch nach wie vor (sie liegen achtlos in einer Zimmerecke). In beiden Geschossen wurden Löcher in die Außenwände geschlagen (und anschließend notdürftig neu verputzt), um zu überprüfen, ob sie hohl sind. Dasselbe geschah mit den Innenwänden; im Obergeschoss sind jedoch einige Innenwände ganz eingerissen worden. Im Keller wurde (an anscheinend recht wahllosen Stellen) Grabungsarbeiten durchgeführt – mit der Schaufel aus dem Gartenschuppen. An der Rückwand des Kamininneren im Wohnzimmer hing anscheinend eine gusseiserne Kaminplatte; die beiden haben sie abgehängt, um zu sehen, ob sich etwas dahinter befindet. Jetzt steht sie im Kamin gegen eine Wand gelehnt.
Stratford-upon-Avon
Nach Warwick ist Stratford die zweitgrößte Stadt der Grafschaft Warwickshire. Diese Aussage bedeutet jedoch nicht, dass sich Stratford mit großen Industriestädten wie den nahen Birmingham und Coventry messen könnte. Das idyllisch am Oberlauf des Avon gelegene kleine Städtchen hat nur etwas mehr als 8.000 Einwohner und ist hauptsächlich bekannt als William Shakespeares (angeblicher) Geburts- und Sterbeort, allenfalls noch als regionaler Eisenbahnknotenpunkt. Außerdem liefern alle Viehzüchter der Umgebung ihre produzierte Wolle hierher, die dann über den – ab Stratford schiffbaren – Avon zu den Hochseehäfen am Meer transportiert wird. Die Eisenbahnfahrt von London mit der Great Western Railway (in London ab Paddington Station) nimmt etwa drei Stunden in Anspruch.Shakespeares Geburtshaus in der Henley Street
In der Henley Street steht das zweistöckige, giebelbewehrte angebliche Geburtshaus des Dichters. Das schöne Fachwerkhaus wurde vor einigen Jahren restauriert, von der Königin offiziell zum Nationalheiligtum ausgerufen und kann nun besichtigt werden. Es ist mit sehr alten Möbeln eingerichtet, die allerdings nicht die Original-Einrichtung darstellen, sondern lediglich aus der elisabethanischen Zeit stammen; Christopher Duncan, der allzeit anwesende einzige Angestellte des Museums, gibt dies auf Nachfrage auch freimütig zu. Im September kommen nur wenige Besucher her; dies ist auch der Grund, warum Robert Hunsdon, der Eigentümer und Direktor des Museums, derzeit nur jeden zweiten Tag anwesend ist.Das Memorial-Theater
Unweit der einzigen Brücke über den Avon befindet sich inmitten eines Parks das Shakespeare-Memorial-Theater, das zu Beginn des Jahrhunderts erbaut wurde. Seit dieser Zeit finden auf der kleinen Bühne (rund 50 Zuschauerplätze) jeden Samstag Aufführungen von Shakespeares Dramen und Komödien statt, die von der Kommune Stratford und einem örtlichen Förderverein (dem auch Hallerton bereits vor seinem Umzug von London nach Wilmcote angehörte) finanziert werden. Obwohl letztlich ein Provinztheater ist das Memorial-Theater im ganzen Königreich bekannt. Deshalb denken die Verantwortlichen derzeit auch über einen – wesentlich größeren – Neubau nach.Die Dreifaltigkeitskirche
Direkt hinter dem Memorial-Theater steht die kleine gotische Dreifaltigkeitskirche aus dem 15. Jahrhundert, deren einzige Besonderheit ist, dass Shakespeare in ihr seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Allerdings gibt es auch hier einige alte Kirchenakten, die für die Detektive interessant sein dürften … (s.u.).„Black Swan“
Ebenfalls direkt neben dem Theater – davon nur durch eine Straße getrennt – befindet sich ein kleiner, aber eleganter und gemütlicher Pub namens „Black Swan“, in dem sich nach Aufführungen traditionell immer sämtliche Schauspieler und Gäste versammeln, um noch etwas miteinander in Kontakt zu kommen. Für das einfachere Volk gibt es direkt nebenan den Schwesterpub „Dirty Duck“, der sich mit dem „Black Swan“ eine Theke teilt, von diesem aus aber nicht direkt betreten werden kann. Das eigentlich Bestürzende an der ganzen Sache: Es gibt tatsächlich Einheimische, die die Namensgebung („A Black Swan is a Dirty Duck!“) für ein gelungenes Wortspiel halten.
Die Personen
Dr. David Hemmings
Äußerliches: Hemmings macht eigentlich nicht den Eindruck wie jemand, der sich sein Leben lang mit schöngeistigen Dingen beschäftigt hat. Bei seinem Auftauchen denkt man unwillkürlich eher an einen Preisboxer, der sich „in Schale“ geworfen hat: Er ist ungeheuer groß und breit, etwas übergewichtig (weswegen er leicht ins Schwitzen gerät), hat schaufelradähnliche Hände und sieht etwas begriffsstutzig aus, scheint dafür aber sehr kräftig zu sein. Neben der Kleidung, die stets auf einen Angehörigen der gebildeteren und wohlhabenderen Schichten hinweist, mildern auch seine Brille mit ihren dicken Gläsern und seine würdevollen grauen Haare diesen Eindruck etwas.
Persönlichkeit: Der 68jährige Hemmings ist an sich kein schlechter Mensch, aber leicht reizbar und sehr ehrgeizig. Mit dem etwas älteren Sebastian Hallerton verband ihn eine lebenslange Konkurrenz, die bereits während des gemeinsamen Studiums der Literaturwissenschaft in Oxford begann und sich schließlich bis zu tiefer menschlicher Abneigung entwickelte. Hemmings konnte es vor allem nicht ertragen, dass Hallerton immer etwas erfolgreicher war als er (und ihn das bei jeder Gelegenheit spüren ließ) und es sogar bis zum Professor an der Universität von Oxford und dem ebenfalls renommierten City of London College gebracht hat, während es für ihn selbst nur zum Privatdozenten mit Lehrauftrag an der Universität Bristol reichte (wo er immer noch tätig ist, derzeit aber noch Semesterferien hat).
Für die Mordnacht hat er übrigens ein ziemlich gutes Alibi: Er nahm gerade an einer dreitägigen wissenschaftlichen Konferenz im schottischen Aberdeen teil. Viele andere Konferenzteilnehmer können das bestätigen (auch dass Hemmings an allen Abendveranstaltungen teilnahm).
Verhalten: Hemmings ist mittlerweile felsenfest von der Existenz dieses Manuskripts überzeugt und sieht die große Chance, wenigstens am Ende seiner Karriere einmal etwas wirklich Aufsehenerregendes zustande zu bringen. Die Detektive stehen ihm dabei im Wege, weshalb er ihnen gegenüber einen ähnlichen Hass verspürt wie gegenüber Hallerton (nicht ganz so stark, weil er sie ja erst vor kurzem kennen gelernt hat). Allerdings ist er viel zu feige, um ihnen ernstlich zu schaden oder schaden zu lassen. Bei persönlichen Zusammentreffen mit der Gruppe spielt er den freundlichen, harmlosen, entfernten Bekannten von Hallerton, der bereits seit dessen Umzug nach Wilmcote nur noch Briefkontakt zu ihm hatte. Wenn die Detektive weitere Details über ihn herausbekommen, gibt er nur gerade so viel zu, wie er nicht mehr abstreiten kann (beispielsweise: „Ja, ich war tatsächlich ein Kollege von H.“ oder „Ja, ich habe H. tatsächlich in Wilmcote besucht – aber nur einmal, und das auch nur, weil ich von der Idee des Landlebens begeistert war und mir die Gegend einmal etwas genauer ansehen wollte“…).
Dr. Samuell Hunsdon
Äußerliches: Ein würdevoller alter Herr, mit weißem Vollbart und vornehmer Kleidung, die auf einen gewissen Wohlstand hinweist. Aus seinen Augen blitzt der Schalk, was ihn auf Anhieb sympathisch macht.
Persönlichkeit: Der 75jährige Samuell Hunsdon ist ebenfalls ein Experte für Leben und Werk Shakespeares, wenn vielleicht auch nicht ein so renommierter wie Sebastian Hallerton, da er niemals an einer Universität gelehrt hat. Dafür war es ihm vergönnt, nicht nur theoretisch zu forschen, sondern seine Liebe zu dem Dramatiker auch praktisch umsetzen. Hunsdon ist als „Mr. Shakespeare“ in ganz Stratford bekannt und beliebt: Ihm ist es zu verdanken, dass Shakespeares (angebliches) Geburtshaus restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde; auch hat er sich als Intendant betätigt, das Memorial-Theater gegründet und bis nach London bekannt gemacht. Vor fünf Jahren nun hat er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, aber zugleich dafür gesorgt, dass ihm immer noch genügend Einfluss auf seine Projekte bleibt: Nachfolger als Leiter sowohl des Theaters als auch des Museums im „Geburtshaus“ wurde jeweils einer seiner beiden Söhne.
Hunsdon und Hallerton kannten und schätzten sich natürlich bereits, bevor dieser nach Wilmcote zog (auch wenn sie sich bis dahin nie persönlich getroffen hatten). Nach dem Umzug intensivierten sie den Kontakt: Hallerton kam alle drei Wochen nach Stratford; gemeinsam besuchten sie dann eine Aufführung im Theater und zogen nachher in den „Black Swan“ weiter, um dort bis zum Morgengrauen zu feiern, zu trinken und zu fachsimpeln.
Hunsdon ist fast jeden Abend im „Black Swan“ (er wohnt in der Nähe), um sich mit den dort Anwesenden – oftmals „seine alten“ Schauspieler – zu unterhalten. Er neigt dabei zwar zum Monologisieren, aber da er wirklich etwas zu sagen hat und das auch mit Witz und Humor tut, geht er damit niemandem auf die Nerven. Er hegt keinen Verdacht gegen seinen Sohn Robert, mit Hallertons „Unfall“ etwas zu tun zu haben. Wenn er etwas davon erfahren würde, würde er Robert sofort zur Rede stellen und anschließend die Polizei informieren. Von dem Grundstückskauf seines Sohnes weiß er ebenfalls nichts.
In der Mordnacht lag Hunsdon krank in seinem Bett. Bezeugen kann das allerdings niemand, da er Witwer ist und auch sonst niemand vorbeikam.
Verhalten: Den Kontakt zwischen den Detektiven und Hunsdon wird wahrscheinlich einer seiner Söhne herstellen, da beide wissen, dass Hallerton und ihr Vater sich hin und wieder getroffen haben. Hunsdon tritt den Detektiven gegenüber freundlich und hilfsbereit auf, da er den Tod seines Freundes Hallerton wirklich bedauert und den geistreichen Gesprächspartner vermisst. Er wird ihnen freimütig alle Fragen beantworten, nicht ahnend, dass er dadurch eventuell ihren Verdacht auf sich selbst lenkt.
Robert Hunsdon
Äußerliches: Hunsdon ist nur etwa 1,70 Meter groß, dünn und blass und wirkt so insgesamt etwas unscheinbar. Äußerlich versucht er das zu kompensieren, indem er sich einen gewaltigen Schnurrbart hat wachsen lassen. Die Haare, die er im Gesicht hat, fehlen ihm zu seinem Leidwesen aber auf dem Kopf: Seine braune Haardecke lichtet sich zusehends und verleiht ihm immer mehr das Aussehen einer Kerze ohne Docht.
Persönlichkeit: Anders als sein Vater Samuell ist der 41jährige in Stratford nicht sehr beliebt und anders als sein Bruder William, der Leiter des Memorial-Theaters, nicht einmal besonders geachtet. Das liegt vor allem an seinem arroganten und großspurigen Auftreten. Während Samuell mit der Schaffung der Shakespeare-Einrichtungen in erster Linie den Ruhm des bekanntesten Sohnes der Stadt und somit der Stadt selbst mehren wollte, geht es Robert in erster Linie darum, möglichst hohen Gewinn mit dem „Geburtshaus“ zu machen. So hat es niemand nachvollziehen können, dass er mit Verweis auf die allgemeine Teuerung die Eintrittspreise seit seinem Antritt als Direktor verdreifacht hat. Gleichzeitig aber leistet er sich selbst und seiner jungen, attraktiven Frau Ashlyn einen gehobenen Lebensstil mit großem Haus, vornehmen Kleidern, Prachtdroschke und vielen Ausflügen ins glamoröse Leben der Hauptstadt. In aller Heimlichkeit hat er vor kurzem dort sogar für viel Geld ein Grundstück erworben und arbeitet konkret an den Plänen für einen Umzug nach London.
All diese Annehmlichkeiten des Lebens sieht er bedroht, als Sebastian Hallerton seine „Theorie“ über Shakespeares wahren Geburtsort erzählt. Zwar erscheint diese Theorie auf den ersten Blick nicht sehr glaubwürdig, aber Robert weiß, dass Hallerton als Shakespeare-Experte renommiert genug ist, um keine unseriösen Behauptungen ohne jeden Hintergrund in die Welt zu setzen. Auch wenn seine Theorie sich letztendlich nicht als richtig erweisen sollte, wäre doch eine heiße Diskussion von Experten absehbar, die der breiten Öffentlichkeit natürlich nicht verborgen bliebe und die Besucherströme im „Geburtshaus“ versiegen lassen könnte, bis die Vorwürfe geklärt sind. Ob er schon vor seinem Besuch in Wilmcote plante, Hallerton zu töten, oder die Tat ganz spontan ausführte, werden die Detektive nicht klären können – letztendlich ist dieser Punkt für sie auch ohne Belang, weil sie nur die Schuldfrage klären müssen; ob geplant oder im Affekt spielt dann höchstens nachher im Strafverfahren bei der Strafzumessung eine Rolle.
Robert fühlt sich nach der Tat ziemlich sicher, so dass er sich auch nicht die Mühe macht, sich ein Alibi zu besorgen. Wenn er trotzdem überraschend nach einem gefragt wird, behauptet er, den fraglichen Abend bis spät in die Nacht in dem Stratforder Pub „The Merry Wives“ in der Tiddington Road auf der anderen Avon-Seite verbracht zu haben. Leider kann sich dort an ihn niemand erinnern; der Wirt James Foole ist sich sogar ziemlich sicher, dass Robert Hunsdon bei ihm noch nie aufgetaucht ist. Vielmehr ist bekannt, dass Robert immer nur in den „Black Swan“ geht. Robert nennt aber den Namen des „Merry Wives“-Pub, weil er glaubt, im „Black Swan“ zu bekannt zu sein, so dass man sich erinnern könnte, an welchem Abend er da war und an welchem nicht. Hier liegt aber ein Denkfehler: Er ist so oft da, dass selbst der Wirt Stephen Chapman nicht genau sagen kann, an welchen Abenden er anwesend war. Merkt Robert, dass die Detektive ihn verdächtigen, spricht er sich mit seiner Frau Ashlyn ab: Sie wird bezeugen, dass er den fraglichen Abend zuhause verbracht hat.
Verhalten: In Gegenwart seines Vaters Samuell ist Robert zu den Detektiven „zahm“, also für seine Verhältnisse höflich und zuvorkommend. Sollte Samuell – der einzige, vor dem er Respekt hat – nicht dabei sein, behandelt er sie wie alle anderen auch: kurzangebunden und etwas hochnäsig. Dass er sich durch diese Art eventuell selbst verdächtig macht, stört ihn nicht; er fühlt sich eben vor Entdeckung ganz sicher.
Edmond Lowine
Äußerliches: Wenn die Detektive Lowine das erste Mal sehen, müssen sie unwillkürlich an den abstoßenden Glöckner von Notre Dame denken, den der französische Schriftsteller Victor Hugo in seinem 1831 erschienen gleichnamigen Roman so eindrucksvoll geschildert hat: Lowine ist ein kleines, verwachsenes Männchen in zerschlissener, schmutziger Kleidung, auf dessen Rücken ein beachtlicher Buckel prangt. Ein Klumpfuß zwingt ihn zum Humpeln oder manchmal auch zu einer hüpfenden Fortbewegung. Sein rechte Gesichtshälfte ist gelähmt, so dass das Auge triefäugig herunterhängt. Wegen der Lähmung kann er auch seinen Mund nicht ganz schließen, so dass ihm permanent ein feiner Speichelfaden aus dem Mundwinkel hängt. Zu allem Überfluss schielt er entsetzlich.
Persönlichkeit: Lowines Charakter wird vor allem durch zwei Eigenschaften ausgezeichnet: Feigheit und Verbitterung. Und beides ist auch nur zu gut verständlich, wenn man sieht, wie in Wilmcote mit ihm umgesprungen wird. Als gebürtiger Wilmcoter ist er dank seines missgestalteten Äußeren zeit seines mittlerweile 33jährigen Lebens immer Außenseiter gewesen und hat von anderen nie viel mehr erfahren als Gewalt. Noch heute, wenn er zweimal in der Woche nach Wilmcote kommt, um seine Holzkohle (nur für die Küchenherde; in den Kaminen werden im allgemeinen Holzscheite verfeuert) zu verkaufen, hat er sich nicht nur manchmal gegen steineschmeißende Kinderhorden zu wehren, sondern auch aufzupassen, dass nicht ein gestandener Bauer „aus Spaß“ seinen Handkarren mit den Kohlenstücken darauf umwirft. Deswegen versucht er seinen Aufenthalt im Dorf so schnell zu beenden wie möglich, um dann wieder zu seiner abgelegenen Hütte und seinem Hochofen im Wald zurückzukehren (bzw. zu fliehen). Dass er jedoch auch da nicht unbehelligt ist (die Wilmcoter wissen natürlich, wo er zu finden ist), hat er kürzlich schmerzhaft feststellen müssen, als jemand seinem Hund die Kehle aufschlitzte und den Kadaver vor der Tür ablegte. Die Dorfbewohner von Wilmcote sind trotz dieses Verhaltens keine schlechten Menschen – jedenfalls nicht schlechter als andere -, sondern einfach in ihren „Traditionen“ gefangen: Sich an wehrlosen Außenseitern abzureagieren, wurde in kleinen, abgeschiedenen Dorfgemeinschaften immer so gehandhabt, ohne dass man groß darüber nachdenkt. Einige Wilmcoter wie etwa Nicholas Tooley würden die Quälerei natürlich sofort unterbinden, aber sie sind halt nicht immer anwesend.
Lowine wurde aufgrund seines missgestalteten Äußeren auch immer als geistig zurückgeblieben eingestuft und hat nur zwei Jahre die Schule besucht. Durch seine mangelhafte Bildung und den fehlenden Kontakt zu anderen Menschen ist er mittlerweile wirklich etwas retardiert: Seine Artikulationsschwierigkeiten hängen nicht nur mit seiner körperlichen Behinderung zusammen, sondern auch mit seinem begrenzten Sprachschatz; und wenn man ihm gegenüber nicht ganz einfache Worte in kurzen Sätzen verwendet, wird er sie nicht verstehen. Trotzdem reicht seine Schulbildung, um wenigstens ein bisschen lesen zu können.
Hallerton nannte ihn – nach einer Figur aus einem Shakespeare-Drama (s.u.) – Caliban. Er hielt große Stücke auf ihn, weil er seine Treue und Ehrlichkeit schätzte.
Verhalten: Noch bevor die Detektive den Zusammenhang zwischen Caliban und Lowine herstellen, sollten sie ihn auf den Dorfstraßen von Wilmcote zumindestens mal gesehen haben. Vielleicht kommen sie mit ihm ja auch ins Geschäft, da sie eventuell Herdkohlen brauchen. Lowine bevorzugt Bezahlung in Lebensmitteln, nimmt aber auch Geld. Trotz seines engen Verhältnisses zu Hallerton ist Lowine zu misstrauisch, um über ihn zu sprechen – selbst wenn kein anderer Dörfler dabei ist. Außerdem realisiert er nicht, dass die Detektive nun in Hallertons Haus wohnen und versuchen dessen Tod aufzuklären. Die Detektive müssen also von sich aus gezielt nach Hallerton fragen. Aber selbst dann wird er nicht sagen, was er weiß, sofern die Detektive nicht vorher sein Vertrauen gewonnen haben. Und das geht am besten auf die gleiche Art, wie Hallerton vorgegangen ist: indem sie ihm zeigen, dass er von seinen Mitmenschen nicht nur Abneigung und Gewalt zu erwarten hat, sondern auch Verständnis und Wärme. Beispielsweise könnten sie ihn früher schon einmal gegen ein angreifendes „Kinderheer“ verteidigt haben.
Nicholas Tooley
Äußerliches: Der vollbärtige 46jährige Tooley ergraut seit einiger Zeit ziemlich stark, was ihn älter erscheinen lässt, als er in Wirklichkeit ist. Ein zerfurchtes Gesicht und schwielenübersäte Hände geben Zeugnis davon, dass er zeit seines Lebens bei Wind und Wetter auf Feldern im Freien gearbeitet hat. Seine buschigen, über den Augen zusammengewachsenen Augenbrauen geben ihm ein leicht finsteres Aussehen.
Persönlichkeit: Tooley wurde vor vier Jahren vom Grafschaftsrat – dem von allen steuerpflichtigen Bewohnern gewählten obersten Verwaltungsorgan einer Grafschaft – zum Bürgermeister des Dorfes ernannt, ein Amt, das eher Ehre und Ansehen (jedenfalls in der Dorfgemeinschaft) als Arbeit schafft: In Wilmcote selbst gibt es nur wenig zu tun, und den Sitzungen des Grafschaftsrat in Warwick, dem er als Mitglied ohne Stimmrecht angehört, bleibt er meist fern. Denn er hat ja noch seinen Hauptberuf als Schafzüchter und der lässt wenig Zeit.
Tooley wirkt stets – selbst für Wilmcoter Verhältnisse – etwas unzugänglich und ist tatsächlich etwas bärbeißig, auf der anderen Seite aber auch sehr hilfsbereit. Von den übrigen Dorfbewohnern glaubt niemand ernsthaft, dass einem anderen als Tooley das Amt des Bürgermeisters zusteht: Er sondert sich zwar gerne ab (sollte er tatsächlich mal abends im Pub auftauchen, sitzt er nur stumm neben den anderen), aber seine starke Persönlichkeit wird akzeptiert und auf sein Wort hört jeder.
Hallerton kannte er nur wenig, obwohl er bisweilen mit ihm und seinem Sohn Francis in den umliegenden Wäldern auf Auerhahnjagd ging. Dabei hat er sich aber nicht näher mit ihm unterhalten, schon alleine um keinen Lärm zu machen, der die Tiere verschrecken könnte.
Verhalten: Trotz seines Amtes wird Tooley nicht auf die Detektive zugehen, wenn sie in Wilmcote auftauchen und Erkundigungen über Hallerton einzuziehen beginnen. Wenden sie sich ihrerseits an ihn, gibt er kurz und knapp Auskunft, ohne allzu großes Interesse an dem Fall zu zeigen oder Bedauern zu heucheln. Sprechen die Detektive ihn abends im Pub an, ist er umgänglicher, da er bei der Arbeit auf dem Feld einfach nicht gern gestört wird.
Timothy Carr
Äußerliches: Carr ist lang, hager und immer ziemlich unrasiert. Im fehlen einige Zähne im Mund, was angesichts seiner jungen Jahre wohl nicht für mangelhafte Ernährung, sondern eher häufige Teilnahme an wüsten Schlägereien spricht. Auch momentan schillert sein rechtes Auge in fast allen Blau- und Rottönen, ein Umstand, den er auch durch die tief ins Gesicht gezogene Mütze kaum kaschieren kann. Carr trägt ärmliche, aber städtische Kleidung.
Persönlichkeit: Als der heute 24jährige Carr vor fünf Jahren den elterlichen Hof in Wilmcote verließ und nach Stratford ging, war niemand (einschließlich seiner Eltern) wirklich traurig: Er war als Rauf- und Trunkenbold überall bekannt und gefürchtet und schaffte es immer wieder, das beschauliche Leben in Wilmcote empfindlich zu stören. Dabei haben sich in Stratford seine Pläne auch nicht erfüllt: Er war dorthin gegangen, um einem langweiligen Leben als Bauer, wie es ihm in Wilmcote drohte, zu entgehen und in der Stadt viel Geld zu verdienen. Doch ohne Ausbildung und arbeitsunwillig, wie er ist, fand er in Stratford nur schlecht bezahlte Stellen als Tagelöhner in diversen Fabriken. Oft war er nur wenige Wochen dort tätig, bevor er hinausgeworfen wurde und sich nach etwas anderem umsehen musste. Deswegen nahm er Hemmings Angebot dankbar an, als er diesen in Stratford traf (s.u.), obwohl er gerade zufällig Arbeit hatte. In Wilmcote erzählt er natürlich, er sei gerade arbeitslos (was ja auch stimmt, da er nach seinem unentschuldigten Fehlen nicht damit rechnen kann, weiterbeschäftigt zu werden). Dass er im Falle von Arbeitslosigkeit dort auftaucht, um einige Zeit bei seinen Eltern unterzuschlüpfen, kam bereits vorher durchaus hin und wieder mal vor.
Carr ist weder phantasiebegabt noch sonderlich intelligent, so dass er für die Gruppe kaum ein ernst zu nehmender Gegner sein dürfte. Die meisten Wilmcoter mögen ihn nicht, was sie ihn auch deutlich spüren lassen.
Verhalten: Solange Carr nichts getrunken hat (was eigentlich nur tagsüber der Fall ist), ist er recht friedlich. Dann geht er den Detektiven aus dem Weg – teilweise so deutlich, dass sie Verdacht schöpfen könnten (s.u.). Ist er betrunken, wird er streitlustig. Er wird in diesem Zustand zwar von sich aus keine Auseinandersetzung mit den Detektiven suchen, aber wenn diese auf ihn zugehen, ist er einem Streit bis hin zu Handgreiflichkeiten nicht abgeneigt. Einige seiner Freunde von früher, die ebenfalls gerade anwesend sind, werden ihm beispringen. Die anderen Dorfbewohner schreiten allerdings schnell ein (besonders Nicholas Tooley). Auch in alkoholisiertem Zustand plaudert Carr allerdings nichts über Hemmings und dessen Auftrag aus. Sogar vor den Anschlägen lässt er sich volllaufen, was allerdings nur geringen Einfluss auf sein Denkvermögen und seine Reaktionen hat. Die Detektive bemerken, wenn sie ihn auf frischer Tat ertappen, seine Volltrunkenheit und könnten den Anschlag zunächst als Racheakt wegen zuvor eventuell stattgefundener Handgreiflichkeiten im Pub einstufen.
Francis Tooley
Äußerliches: Der 16jährige ist für sein Alter groß und kräftig gebaut. Er hat pechschwarze Haare und scheint Wert auf sein Äußeres zu legen. In seinem Gesicht kleben meist ein paar Pflaster (Überreste von Pubertätspickeln, die er unsachgemäß ausgedrückt hat).
Persönlichkeit: Der dritte und jüngste Sohn von Nicholas ähnelt seinem Vater in vielerlei Beziehung: Er ist ebenfalls schweigsam, fast scheu, aber auch tatkräftig und ehrlich. Hallerton allerdings kannte er ein wenig besser als sein Vater, da ihm jener bei einem drängenden Problem geholfen hat: Er ist Hals über Kopf in die gleichaltrige Mary Morton, die hübsche Tochter des Krämers, verliebt. Zu seinem Leidwesen interessierte die sich aber bis vor kurzem gar nicht für ihn; deswegen fragte er den „erfahrenen Großstadtbewohner“ Hallerton um Rat, der ihm dann einige Sonette von Shakespeare beibrachte. Und tatsächlich: Seitdem er Gedichte rezitiert, scheint Mary in ihm mehr zu sehen als einen „Bauerntölpel“, der durchdringend nach Schafdung riecht.
Verhalten: Francis ist es nicht leicht gefallen, sich mit seinen Problemen an Hallerton, einen Außenstehenden, zu wenden. Dasselbe trifft auch auf die Detektive zu: Befragen die ihn nach seiner Beziehung zu Hallerton, wird er nur allgemein davon reden, ihn mehrere Male (auch außerhalb der Jagd mit ihm und seinem Vater) getroffen zu haben, ohne die Sache mit Mary zu erwähnen. Er war auch mal in Hallertons Haus zu Besuch. Da Francis nicht glaubt, etwas Sachdienliches aussagen zu können, wird er sich von sich aus nicht an die Detektive wenden, auch wenn er hört, dass sie Hallertons Tod untersuchen.
James Morton
Äußerliches: Bei Morton handelt es sich um einen kleinen, grauhaarigen Mann, dessen stets auffallend saubere Kleidung städtischer wirkt als die der sonstigen Wilmcoter. Auch zwei andere Dinge unterscheiden ihn von diesen: Er trägt eine Brille. Und er riecht nicht so durchdringend nach Acker und Schafstall, dafür aber nach Zigarren, die er leidenschaftlich gern raucht (was man auch an seinen Fingern und Zähnen deutlich erkennt).
Persönlichkeit: Der 52jährige Morton unterscheidet sich nicht nur äußerlich von den meisten Wilmcotern: Als einer der wenigen Bewohner des Dorfes stammt er nicht von hier, sondern aus Stratford. Seinen Eltern wurde der Grundbesitz dort zu teuer, weshalb sie vor Jahren nach Wilmcote zogen und hier einen Kram- und Kolonialwarenladen eröffneten, den nun ihr Sohn James führt. Viele Dorfbewohner können ihn nicht gut ausstehen, weil sie ihn (nicht ganz zu Unrecht) für arrogant halten. Zu Schätzen haben sie allerdings wiederum gelernt, dass Morton ihnen über sein Geschäft fast alles besorgt, was sie wünschen – und das zu moderaten Preisen.
Morton hat mit Hallerton Schach gespielt. Freunde geworden sind die beiden dabei nicht, was aber hauptsächlich an Hallerton lag.
Verhalten: Morton ist gegenüber den Detektiven freundlicher und offener als die meisten anderen Dorfbewohner. Auch erkundigt er sich stets, wenn er sie trifft, nach den Fortschritten ihrer Recherchen (bzw. wie ihnen ihr Aufenthalt in Wilmcote gefällt). Über sein Wissen gibt er bereitwillig Auskunft. Weiter geht seine Einsatzbereitschaft allerdings nicht.
Christopher Duncan
Äußerliches: Ein sorgfältig, allerdings nicht unbedingt reich gekleideter junger Mann mit roten Haaren und kleinen, blauen Augen, dessen eigentlich attraktives, sommersprossiges Gesicht zu seinem Leidwesen durch groteske Segelohren etwas entstellt wird. Duncan macht einen pflichtbewussten, fast soldatischen Eindruck.
Persönlichkeit: Der 26jährige Duncan war bereits als Angestellter im „Geburtshaus“- Museum tätig, als dessen Leitung noch in den Händen des alten Samuell Hunsdon lag. Mit Robert, der seit fünf Jahren das Sagen hat, kommt er weniger klar. Das liegt vor allem an Roberts unfreundlichem, großspurigen Auftreten, zum anderen aber auch an Duncans Gefühl der permanenten Unterbezahlung. Besonders ärgert ihn in diesem Zusammenhang, dass nach Roberts geplantem Umzug in die Hauptstadt ein Verwalter das Museum für diesen leiten soll, dieser Verwalter aber aller Voraussicht nach nicht Christopher Duncan heißen wird. Und tatsächlich hätte Duncan diese Beförderung nicht nur nach eigener Ansicht verdient: Er kommt jeden Tag ins Museum, ist freundlich zu den Besuchern, bietet ihnen bei Bedarf Führungen an, betreut den Museumsshop, reinigt das Gebäude, pflegt den Garten, kümmert sich um Reparaturen und Restaurierungsarbeiten und hat sich noch nie eine Unregelmäßigkeit bei der Abrechnung der Einnahmen zu Schulden kommen lassen.
Duncan ist zurückhaltend, schüchtern und von Natur aus eher ein Einzelgänger. Er wohnt bei seiner zehn Jahre älteren, aber bereits verwitweten Schwester.
Verhalten: Duncan trägt sein Herz nicht auf der Zunge. Er wird den Detektiven nur von seinem Kummer berichten, wenn sie sein Vertrauen gewinnen und von sich aus das Thema „Robert Hunsdon und das Museum“ anschneiden. Weibliche Charaktere haben leichtes Spiel, wenn sie freundlich zu ihm sind und sich Zeit nehmen, ihn kennen zu lernen. Männliche Charaktere können am besten eine seiner wenigen Leidenschaften „ausnutzen“: Er verbringt die meisten Abende mit Darts-Spielen im „The Old Mill“ in der Chapel Street. Oft steht er allein vor der Wurfscheibe und daher freut er sich immer über Mitspieler.
William Hunsdon, 47: Samuells Sohn und Roberts Bruder; Leiter des Memorial-Theaters zu Stratford
Ashlyn Hunsdon, 28: Roberts Gattin
Stephen Chapman, 38: Wirt im „Black Swan“ (und auch im „Dirty Duck“) zu Stratford
Anthony Summons, 55: Priester der anglikanischen Dreifaltigkeitsgemeinde zu Stratford
Abigail Bridges, 58: Bed-&-Breakfast-Wirtin zu Stratford
James Foole, 50: Wirt im „Merry Wives“ zu Stratford
Rudolph Gouthe, 43: Archivar im Ambassador-Theater zu London
Dick Tanner, 34: Zimmermann aus Wilmcote
Andrew Payne, 62: Bauer aus Wilmcote und im Nebenberuf Dorfpolizist
David Garrick, 37: Bauer aus Wilmcote
Die Dorfbewohner von Wilmcote
Auch unter den einzelnen Wilmcotern gibt es natürlich Spannungen, aber gegenüber Fremden wie den Detektiven und auch Sebastian Hallerton treten sie als Gemeinschaft auf: Sie halten fest zusammen und lassen „Eindringlinge“ spüren, dass sie nur geduldet sind. Sie reagieren zwar nicht unfreundlich oder gar missgünstig, aber wenn die Detektive auf eine größere Gruppe von Einheimischen treffen (beispielsweise abends im Pub), ist deutlich zu merken, dass die Anwesenheit von Fremden auf sie zügelnd wirkt; sie benehmen sich ruhiger und verhaltener als sonst, und die Detektive haben das Gefühl, ständig belauert zu werden. Nicht einmal auf Standard-Rollenspieler-Schmeicheleien wie die altbekannte Lokalrunde springen sie an. Hallerton kam zwar auch nicht an sie heran (er wollte es auch gar nicht), aber weil sie an ihn gewöhnt waren, verhielten sie sich in seinem Beisein wenigstens normal. Nur wenn die Detektive geschickt vorgehen, werden sie die Spannungen (wer wen nicht mag usw.) hinter der einträchtigen Fassade erkennen und für sich benutzen können.
Unter den Wilmcotern ist nicht bekannt, dass Shakespeare mal hier gewohnt hat. Auch fänden sie diese Tatsache nur wenig spektakulär, wenn sie von ihr erführen; sie haben einfach andere Sorgen …
Die Indizien
Hinweise in Hallertons HausDer Manuskriptauszug
In Hallertons Wohnzimmer (s.o. Abschnitt „Die Schauplätze“) können die Detektive die Abschrift des Manuskriptauszuges aus „Heinrich VIII.“ finden, die Hallerton damals im Ambassador-Theaters anfertigte. (Text siehe Ende des Dokuments)
Die Detektive werden mit dem Text kaum etwas anfangen können (nur falls ein Spieler dank seines persönlichen Spielerwissens darauf kommt, dass es sich um einen Auszug aus dem Drama „Heinrich VIII.“ handelt, sollte der SL das auch auf Spielebene gelten lassen); viel wichtiger ist ein Stempelabdruck, der sich unter Hallertons fein geschwungener Handschrift befindet: „Archiv des Ambassadors, London“. Da es sich um eins der bekanntesten Londoner Theater handelt, wird jeder Detektiv mit dem Namen etwas anfangen können.
Das Ambassadors liegt in der West Street im Stadtteil Lambeth. Rudolph Gouthe, der Leiter des Archivs, kann sich natürlich gut an Sebastian Hallerton erinnern, den renommierten Literaturwissenschaftler und Shakespeare-Experten: Bis vor 2½ Jahren kam er hin und wieder vorbei, um in den Archivbeständen der Zeit, als das Ambassadors noch Globe-Theater hieß und im Miteigentum von Shakespeare stand, herumzusuchen. Da Gouthe die Archivbestände mittlerweile neu sortiert und katalogisiert hat, kann er leicht feststellen, dass der Text der Detektive die Abschrift eines Original-Manuskriptauszuges aus der Hand des Dichters ist. Leider konnte er sie bisher dessen Werk nicht zuordnen. Daher tippt er auf ein unveröffentlichtes Dramenfragment.Das Papier im Schuh
Bei der Notiz, die die Detektive in Hallertons Schrank im Schlafzimmer finden können, handelt es sich anscheinend um eine Mitteilung:
Caliban,
ich habe mich entschieden, auch unten im Keller zu suchen. Bitte fange schon mal an, während ich weg bin! Eine Schaufel zum Graben habe ich für Dich in den Keller gestellt. Dort findest Du auch mein Essen. Nimm Dir davon!
S.H.
Wenn Hallerton nach Stratford reiste, um dort mit Hunsdon das Wochenende zu verbringen, erlaubte er Lowine stets, in seinem Haus zu wohnen. Zu diesem Zweck ließ er dann die Terrassentür unverschlossen, damit sein Helfer freien Zugang hatte. Da Lowine meistens erst kam, wenn Hallerton bereits verschwunden war, hinterließ dieser ihm meist schriftliche Anweisungen.
Hinweise und Gerüchte in WilmcoteInformationen, die bei jedem Dorfbewohner erhältlich sind
1. Im Dorf ist bekannt, dass Sebastian Hallerton ein Professor und Experte für Shakespeare war, und als solchem reagierten die Wilmcoter ihm gegenüber mit Respekt und einer gewissen Scheu. Weshalb er sich in Wilmcote niederließ, können sie nicht ganz nachvollziehen: Er erzählte einigen von ihnen zwar, dass er das Landleben liebe und hier ein Buch schreiben wolle; aber warum er dazu in einer Bruchbude leben musste, um deren Ausbesserung er sich nie richtig bemüht hat, finden sie unverständlich.
2. Zu keinem der Dorfbewohner pflegte Hallerton ein engeres Verhältnis. Manchmal tauchte er abends im Pub auf und spielte Schach mit James Morton, dem Dorfkrämer. Mit Nicholas Tooley, dem Bürgermeister, ging er gelegentlich auf die Jagd. Im Stall des Bauern David Garrick hatte er gegen Bezahlung ein Pferd und eine kleine Kutsche untergestellt, mit der er in unregelmäßigen Abständen (tatsächlich waren es regelmäßige Abstände: alle drei Wochen (s.o.)) nach Stratford fuhr.
3. Hallerton blieb meistens in seinem Haus und machte von sich aus keine Besuche. Auch für die Dorfbewohner gab es keinen Grund, ihm ihrerseits einen Besuch abzustatten. Er wurde jedoch in der Anfangszeit einige Male von einem Fremden aufgesucht, der mit einer Mietdroschke aus Stratford kam. Sie können ihn nur als groß, älter, grauhaarig und städtisch gekleidet beschreiben. Die Anzahl seiner Besuche wird auf zwei bis drei geschätzt. Sie lagen alle im ersten Jahr von Hallertons Anwesenheit. Natürlich hat sich Hemmings, der von den Dorfbewohnern hier beschrieben wird, öfter in Wilmcote aufgehalten. Da er aber nicht immer gesehen werden wollte, ging er, nachdem er sich etwas Ortskenntnis angeeignet hatte, dazu über, die Droschke zu verstecken und durch das kleine Wäldchen an Hallertons Grundstücksgrenze zu dessen Haus zu schleichen.
4. Hallertons Grundstück war vorher Eigentum eines Stratforder Gemeinderatsmitglieds, das sich nie um das Haus gekümmert hat. Den Kauf hat Nicholas Tooley vermittelt.
5. Im Laufe der Jahrhunderte ist das Grundstück, auf dem Hallertons Haus steht, mehrfach durch Verkäufe verkleinert und das Haus umgebaut worden. Andere Gebäude wurden abgerissen.
6. Hallertons Leiche wurde von Andrew Payne, dem Dorfpolizisten, gefunden.Nicholas Tooley
1. Tooley, sein Sohn Francis und Hallerton gingen in unregelmäßigen Abständen auf die Auerhahnjagd. Der Bürgermeister lieh Hallerton stets ein Gewehr, weil dieser keines besaß. Alle drei haben sich während ihrer Streifzüge nur wenig unterhalten. So kann Tooley lediglich sagen, dass Hallerton plante, ein Buch über Shakespeares spätere Jahre, die er in Stratford verbrachte, zu schreiben. Er deutete an, dass das Grundstück, auf dem er nun wohnte, einst der Familie des Dichters gehört hatte. Der nüchterne Tooley sah diese Enthüllung aber nicht als Sensation an, die sein Leben ändern würde, und dachte nicht weiter darüber nach. Shakespeare gehört für ihn zur Welt der Reichen und Vornehmen, die Zeit haben, sich damit so zu beschäftigen. Über Hallerton sagt er nur trocken, ohne abschätzige Hintergedanken: „Ich hoffe, er war ein besserer Schreiberling als Schütze.“
2. Das Gemeinderatsmitglied, von dem Hallerton das Grundstück erworben hat, ist vor kurzem als Kolonialbeamter im Dienst Ihrer Majestät nach Indien gegangen (die Detektive verstehen sicherlich den Hinweis: Der Mann ist für den weiteren Verlauf des Abenteuers völlig unwichtig.). Tooley erinnert sich noch, dass Hallerton vor etwas über zwei Jahren in Wilmcote auftauchte und ihn bat, Kontakt zu dem Grundstückseigentümer herzustellen. Hallerton zeigte ihm später den Kaufvertrag: Er hat das Grundstück zu einem Spottpreis bekommen.Francis Tooley
1. Hallerton erzählte Francis, dass er in seinem Haus etwas suchte; er machte allerdings ein Geheimnis daraus, was das sei. Seinen Worten nach sei ihm jemand dabei behilflich, aber niemand aus dem Dorf, weil sein Geheimnis sonst bestimmt gleich ausgeplaudert würde. Francis tippt auf jenen Fremden (Hemmings), den auch die anderen Dorfbewohner einige Male gesehen haben. Er weiß, dass er Hallerton auch heimlich aufsuchte: Zweimal hat er gesehen, wie er eine Mietdroschke im Wald hinter Hallertons Haus versteckte und anschließend den Wald betrat. Das erste Mal war etwa ein Jahr, das zweite Mal vier Monate vor Hallertons Tod.
2. Hallerton besuchte in Stratford immer Theater-Aufführungen. Francis weiß das, weil er ihm versprochen hatte, ihn mal mitzunehmen.James Morton
1. Auch ihm hat Hallerton erzählt, dass er ein Buch über Shakespeares späte Jahre schreibe und dass sich Shakespeare früher vermutlich gelegentlich in Wilmcote aufgehalten habe.
2. In Stratford besuchte er einen Bekannten und ging dann mit diesem ins Theater. Außerdem hob er stets Geld in der Stratforder Filiale der National Westminster Bank in der Union Street ab, bei der er ein Konto eröffnet hatte (dies ist dem Detektiv, der Hallerton beerbt hat, natürlich geläufig). Gelegentlich scheint er in Stratford auch noch etwas anderes gemacht zu haben: Nachdem er in einer Woche erst dienstags aus der Stadt zurückgekommen sei, habe er ihn jedenfalls beim Schach unvermittelt gefragt, ob er wisse, dass 1564 in Stratford die Pest tobte. Er habe dies in alten Kirchenakten überprüft. Hallerton machte dabei einen ziemlich zufriedenen Eindruck. Warum er ausgerechnet am Jahr 1564 interessiert war, kann sich Morton nur dadurch erklären, dass in diesem Jahr Shakespeare geboren ist.
3. Hallerton hat unmäßig getrunken – anscheinend nicht nur beim Schachspiel, sondern auch privat: Morton belieferte ihn mit Whisky und ist daher ziemlich gut über seinen Verbrauch informiert.
4. Insgesamt machte Hallerton auf ihn immer einen freundlichen, ausgeglichenen Eindruck, der nicht als jemand erschien, der mit seinem Leben unzufrieden ist. Als Schachgegner war er unangenehm, weil er immer gewann. Aber die Niederlagen wurden immer knapper.Dick Tanner
In den ersten Monaten, die Hallerton in Wilmcote wohnte, war der Zimmermann Dick Tanner ihm regelmäßig dabei behilflich, das Haus in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. Hallerton verzichtete aber ohne Begründung darauf, dass sie sich auch das Obergeschoss vornahmen. Als er Tanner später noch einmal rief, um eine zersprungene Scheibe in der Küche auswechseln zu lassen und der Zimmermann auf all die defekten Glasscheiben im Obergeschoss hinwies, erklärte Hallerton erneut, oben müsse nichts getan werden.Andrew Payne
1. Der Dorfpolizist fand Hallertons Leiche mit einer Platzwunde auf der Stirn und dem Kopf im Bach liegend. Eigentlich war es Paynes Hündin, die den Fund machte: Auf dem morgendlichen Weg zu seinem Feld kam Payne mit dem Tier an Hallertons Grundstück vorbei. Plötzlich war die Hündin verschwunden, und kurz darauf hörte er aus einiger Entfernung ihr erregtes Bellen. Als er nach dem Grund sehen wollte, stieß er auf den Toten.
2. Die Polizei aus Stratford führte eine kurze Untersuchung durch, legte den Fall aber schnell zu den Akten.Edmond Lowine
Edmond Lowine ist mit Sicherheit der wichtigste Zeuge des Kriminalfalls, aber für die Detektive auch nicht gerade leicht zu finden, da er nicht auf sie zukommen wird. Diese haben zwei Möglichkeiten, auf ihn aufmerksam zu werden:
1. Von Francis Tooley können sie erfahren, dass Hallerton einen Helfer hatte, der nicht aus dem Dorf stammte – damit er den anderen Dörflern gegenüber nichts ausplauderte. Daher tippte Francis auf Hemmings; wenn die Detektive aber Lowine und dessen miserables Verhältnis zu den Dörflern näher beobachten, fällt ihnen eventuell ein, dass auch er dieser geheimnisvolle Helfer sein könnte.
2. Im Memorial-Theater zu Stratford sehen sich die Detektive Shakespeares „Der Sturm“ an. Es handelt von Prospero, dem rechtmäßigen Herzog von Mailand, der durch eine Intrige seines eigenen Bruders Antonio seinen Thron verliert und auf ein kleines, abgeschiedenes Eiland vor Italien flüchtet. Eine der Hauptfiguren in dem Stück heißt „Caliban“, und hier liegt der Hinweis für die Detektive verborgen: Es handelt sich um Prosperos Sklaven, den wilden und missgestalteten Sohn der Hexe, der einst das Eiland gehört hatte. Die Detektive haben Lowine gewiss schon mal durch Wilmcote schlurfen sehen und können jetzt den (etwas bösen) Spitznamen nachvollziehen, den der Shakespeare-Kenner Hallerton ihm verpasst hat. Natürlich ist es möglich, dass einer der Spieler die Figur aus dem „Sturm“ kennt und auch ohne Theater-Besuch die Parallelen zu Lowine zieht. In diesem Fall sollte der SL dieses Spielerwissen auch auf Spielebene gelten lassen.
Von Lowine ist Folgendes zu erfahren:
1. Wie viele der übrigen Dorfbewohner hat er auch Hallerton mit Holzkohle versorgt. Eines Tages (er weiß nicht mehr genau wann) fragte ihn Hallerton, ob er etwas Geld verdienen wolle. Lowine nahm natürlich sofort an und half ihm von da an in unregelmäßigen Abständen auf der Suche nach irgendwelchen „Papieren“, die ein Voreigentümer irgendwo in dem Haus versteckt habe. Die Termine machten sie aus, wenn Lowine ins Dorf kam, um seine Kohlen zu verkaufen. Wenn Hallerton ihn einbestellt hatte, näherte er sich dem Haus meist durch das Wäldchen in seinem Rücken, weil Hallerton nicht wollte, dass jemand ihn sah. Er blieb dann meistens über ein oder zwei Nächte.
2. Auch für den Abend, an dem er starb, hatte Hallerton seinen Helfer bestellt. Lowine näherte sich dem Haus nach Einbruch der Dunkelheit wie immer durch das Wäldchen. Durch das erleuchtete Küchenfenster sah er aber dann, dass er schon Besuch hatte: einen braunhaarigen Mann mittleren Alters, den er vorher noch nie gesehen hatte (Robert Hunsdon). Die beiden saßen am Küchentisch, tranken und beredeten irgendetwas. Ob sie sich stritten oder erregt waren, hat er nicht beobachtet. Lowine beschloss, sich in den Gartenschuppen zurückzuziehen und dort zu warten, bis der Besucher gegangen war. Zwei Stunden später hörte er die beiden dann plötzlich in den Garten kommen, bzw. nur ihre sich nähernden Stimmen: die von Hallerton betrunken, laut und grölend, die des Besuchers leise, beschwichtigend. Sie gingen dann an dem Gartenhäuschen vorbei, anscheinend auf den Bach zu. Kurze Zeit später verstummten die Stimmen dann. Lowine wartete noch eine weitere Stunde, und als er dann bemerkte, dass das Licht im Haus mittlerweile gelöscht war, kehrte er zu seiner Hütte zurück. Als er das nächste Mal nach Wilmcote kam, um Kohlen auszuliefern, hörte er von Hallertons Unfall. Über eine Verbindung zwischen dessen Tod und dem Besucher hat er niemals nachgedacht.
3. Organisieren die Detektive später einmal ein Zusammentreffen von Hunsdon und Lowine, wird dieser bestätigen, dass es sich bei dem Besucher tatsächlich um den Museumsdirektor aus Stratford gehandelt habe.
Informationen in StratfordSamuell Hunsdon
1. Hallerton verbrachte jedes dritte Wochenende in Stratford. Er und Hunsdon besuchten stets eine Aufführung des Memorial-Theaters und trafen nachher die Schauspieler im Pub. Hallerton übernachtete dann in seinem nahe gelegenen Haus.
2. So ganz genau weiß Hunsdon auch nicht, was Hallerton in Wilmcote wollte. Er tat immer sehr geheimnisvoll, wenn Hunsdon die Sprache darauf brachte und murmelte nur etwas von einem Buch, an dem er schriebe und das „eine wissenschaftliche Sensation“ bringen werde. Hunsdon hat sich häufig gefragt, ob es mit dieser „absonderlichen“ Theorie zusammenhänge, die Hallerton mehrere Male geäußert habe: Dass nämlich Shakespeare nicht in Stratford, sondern in Wilmcote geboren sei. So recht vorstellen kann er sich das aber nicht, da er von Hallerton eine zu hohe wissenschaftliche Meinung hat: Er würde nie seinen Ruf mit der Verbreitung einer zweifelhaften Theorie verderben, für die nichts spreche.
3. Tatsächlich sind Hallerton und Hunsdon über diese Theorie miteinander kurz vor Hallertons Tod im „Black Swan“ in Streit geraten, der einige Zeit dauerte und heftig ausgetragen wurde. Anlass war Hallertons Behauptung, er habe nun einen Beweis gefunden. Worum es sich dabei handelte, weiß Hunsdon nicht (die Kirchenakten). Bei dem Streit waren wie üblich das Theaterensemble, viele Besucher der Theateraufführung und seine Söhne zugegen. Diese Einzelheiten teilt Hunsdon nur auf Nachfrage mit.
4. Tatsächlich gehörte das Grundstück der Detektive in Wilmcote einst Shakespeare. Shakespeares Mutter hatte das Landgut Asbies mit in die Ehe gebracht. Da keines der Gebäude mehr auch nur annähernd in seinem Original-Zustand erhalten sei, habe er an einer wissenschaftlichen „Verwertung“ (vergleichbar der des Geburtshauses in der Henley Street) nie Interesse gehabt.
5. Memorial-Theater und Museum befinden sich im Privatbesitz seiner Söhne. Weil er Robert damals das (lukrativere) Museum geschenkt hat, verpflichtete er ihn, einen Teil der Einnahmen an seinen Bruder William abzuführen. Seines Wissens nach haben sich die beiden auf eine Quote von 30% geeinigt. Er selbst profitiert davon nicht mehr, da er finanziell abgesichert ist und an Geld weniger Interesse hat als Robert (das sind tatsächlich seine Worte).
6. Hallerton mag vielleicht der größere Kenner der englischen Literatur im allgemeinen und von Shakespeare im besonderen gewesen sein, aber trotzdem ist Hunsdon ihm in einigen Bereichen voraus: Zeigen die Detektive ihm die Manuskriptseite (was Hallerton nie getan hat), erkennt er die Textpassage umgehend als Auszug aus John Fletchers „Heinrich VIII.“ – 5. Aufzug, 4. Szene. Dieser Wissensvorsprung erklärt sich dadurch, dass Fletcher ebenfalls aus Stratford stammt, allerdings verglichen mit Shakespeare weitaus weniger landesweite Beachtung fand. Erklären die Detektive, dass es sich um die Abschrift eines Originals in der Handschrift des Dichters handelt, gratuliert er ihnen zu ihrer sensationellen Entdeckung: Sie haben Shakespeares Mitautorenschaft an John Fletchers „Heinrich VIII.“ bewiesen. Hunsdon ist ihnen gerne dabei behilflich, die Entdeckung publik zu machen. Spätestens jetzt sollte den Detektiven klar sein, dass Hallerton einem Phantom nachjagte: Es gibt kein neues, bisher unbekanntes Shakespeare-Drama.
7. Hunsdon hat Dr. Hemmings, einen Literaturwissenschaftler und Privatdozenten der Universität Bristol, vor etwa drei Jahren anlässlich eines Vortrages, den er selbst dort hielt, kennen gelernt. Er weiß, dass Hemmings und Hallerton erbitterte Rivalen waren, deren Verhältnis fast schon etwas Feindliches hatte. Hallerton hat allerdings nie etwas von Hemmings Besuchen in Wilmcote erwähnt. Vor einigen Tagen sah er ihn übrigens zufällig in Stratfords Main Street, als er gerade ein Lebensmittelgeschäft verließ. Hunsdon sprach ihn nicht an, weil er sich doch nicht ganz sicher war.William Hunsdon
1. William hat mit Hallerton niemals direkt gesprochen, sondern ihn immer nur als Besucher seiner Inszenierungen und anschließenden Gast seines Vaters im „Black Swan“ erlebt. Nach seiner Ansicht waren die beiden zwei Alte, die gerne ein Gläschen tranken und gerne miteinander stritten, weil sie endlich mal einen ebenbürtigen Gegner gefunden hatten. Auch an die Auseinandersetzung über Hallertons „Theorie“ erinnert er sich noch: Sie war bei aller alkoholseligen Leidenschaft ziemlich sachlich.
2. Dass sein Bruder Robert mit Hallertons „Unfall“ etwas zu tun hat, kann er sich nicht vorstellen.Robert Hunsdon
1. Roberts Büroräume befinden sich in seinem großen Wohnhaus in der Main Street, weshalb er bei dem derzeitig recht geringen Besucherandrang nur alle zwei Tage im Museum in der Henley Street auftaucht.
2. Hallerton hat sich zweimal die Ausstellung in Shakespeares „Geburtshaus“ angesehen. Ansonsten erlebte ihn auch Robert nach eigener Aussage nur zusammen mit seinem Vater.
3. Von Hallertons Theorie will er noch nie etwas gehört haben. Dasselbe gilt auch für einen Streit zwischen Hallerton und seinem Vater. An dem fraglichen Abend im „Black Swan“ will er nicht dabei gewesen sein. Konfrontieren die Detektive ihn mit den Aussagen der zahlreichen Zeugen, die ihn dort gesehen haben, verbessert er sich: Er sei da gewesen, habe eine Auseinandersetzung aber nur am Rande mitbekommen – was ja schließlich auch nicht zum ersten Mal vorgekommen sei.Stephen Chapman
Der Wirt war bei dem Streit zwischen Hallerton und Samuell Hunsdon im „Black Swan“ naturgemäß auch dabei. Auf den Inhalt des Streites hat er nicht geachtet („Wieder was mit diesem Shakespeare.“); er kam ihm allerdings ziemlich heftig vor, zumindestens heftiger, als die sonstigen Streitigkeiten zwischen diesen beiden alten „Kindsköpfen“: Hunsdon stieß sogar aus Ärger sein volles Bierglas auf den Boden. Hören die Detektive zu diesem Punkt noch andere Zeugen (William Hunsdon oder Angehörige des Theaterensembles) an, erklären diese übereinstimmend, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe – was auch der Wahrheit entspricht.Christopher Duncan
1. Der Museumsangestellte kann Auskunft über die finanziellen Verhältnisse des Museums im „Geburtshaus“ geben: Die üppigen Einnahmen, die Tausende von Besuchern im Jahr bescheren, gehen an den Museumseigentümer, also Robert Hunsdon. Einen Teil der Einnahmen tritt er an seinen Bruder William ab. Grundstücks- und Gewerbesteuern erheben weder die Stadt Stratford noch die Grafschaft Warwickshire, weil das Museum den Status eines „Nationalheiligtums“ hat.
2. Seit einiger Zeit trägt sich Robert mit dem Gedanken, das Museum in Stratford einem Verwalter zu überlassen und in die Hauptstadt zu ziehen. Wie er kürzlich andeutete, hat er dort auch bereits ein Haus erworben – bei seinem Lebensstil bestimmt nicht gerade in einer armen Gegend. Christophers Ansicht nach steckt Roberts junge Frau Ashlyn dahinter, die sich in Stratford langweilt.Die Kirchenakten
Einzige Kirchengemeinde von Stratford ist die anglikanische Gemeinde der Dreifaltigkeitskirche. Die Detektive können hier (unter Aufsicht des Priesters Anthony Summons) die bis ins 13. Jh. zurückreichenden Kirchenbücher einsehen. Folgende Informationen sind darin enthalten:
1. Für das Jahr 1564 ist das Wiederaufflackern der Pest verzeichnet. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass einige der reicheren Bürger die Stadt verlassen und in umliegenden Bauerndörfern Zuflucht suchen. Das Ende dieser Pestepidemie wird auf das Jahr 1565 datiert.
2. Unter den 1564 geborenen Kindern ist auch William, Sohn des Handwerkers John Shakespeare und seiner Frau Mary, aufgeführt. Allerdings ist nicht angegeben, ob das Kind in Stratford oder der Umgebung zur Welt kam. Summons hält es auf Nachfrage nicht für unmöglich, dass die Eintragung nachträglich (also nach Erlöschen der Pest) vorgenommen wurde.
3. Für das Jahr 1568 ist verzeichnet, dass der „hocherwürdige“ John Shakespeare Bürgermeister von Stratford wird. Das ist als Hinweis für die Detektive gedacht, dass John Shakespeare durchaus zu jenen reicheren Bürgern gehört haben könnte, die laut Eintrag von 1564 die Stadt verlassen haben (Hallerton jedenfalls hat das so aufgefasst).
Die Handlung
Hemmings VorgehenDer Plan
Hemmings´ Ziel ist es, selbst juristisch unanfechtbarer Eigentümer des ehemaligen Landgutes Asbies in Wilmcote zu werden, um in aller Ruhe nach dem Manuskript zu suchen. Er macht Hallertons Erben, einem der Detektive, nach der Beerdigung ein Kaufangebot (s.o.), das dieser aber – hoffentlich – ablehnt, weil er sich das Haus erstmal angucken will. Vielleicht wäre der Detektiv gar nicht so abgeneigt, anschließend auf ein zweites Angebot einzugehen – wenn er nämlich festgestellt hat, welche „Bruchbude“ ihm vermacht wurde. Hemmings glaubt aber fälschlicherweise, dass die Ablehnung endgültig war, und geht daher gleich zur nächsten Stufe seines Planes über (und weckt so hoffentlich den Ehrgeiz der Detektive, zu bleiben und herauszufinden, was hinter den Attacken und auch Hallertons „Unfall“ steckt):
Er quartiert sich im billigen Bed-&-Breakfast-Betrieb von Abigail Bridges in der vom Stadtzentrum weit abgelegenen Stratforder Alcester Road (in der Nähe des Bahnhofs) ein. In den zwielichtigen Kneipen der Umgebung sucht er sich einen passenden Helfershelfer, der gegen ein üppiges Entgelt einige „Aufträge“ für ihn ausführt. Er findet ihn erfreulich rasch in dem aus Wilmcote stammenden Timothy Carr. Dieser soll nun die Detektive durch einige Attentate so zermürben, dass sie Hemmings´ zweites Kaufangebot nicht ausschlagen.
Hat übrigens Hallertons Erbe doch gleich nach der Beerdigung Hemmings erstes Angebot angenommen, ist das Abenteuer für die Gruppe an dieser Stelle voraussichtlich bereits zu Ende. Sie können zwar immer noch in Wilmcote und Stratford die oben geschilderten Informationen einholen, doch welche Veranlassung sollten sie dafür haben, wenn sie sich nicht einmal für Hallertons Haus interessieren?Die Attentate
Hemmings hat Carr eingeschärft, dass niemand von den SC zu Schaden kommen soll. Noch mehr gilt das natürlich für das Haus selbst: Denn nützt Hemmings es natürlich nichts, wenn die Detektive letztendlich ausziehen, von dem Haus aber nur noch rauchende Trümmer übrig sind. Carr wird immer erst nach Mitternacht tätig.
1. Carrs erste Aktion besteht darin, dass er einen mit einem Stein beschwerten Zettel durch eine Glasscheibe ins Haus wirft. Auf dem Zettel steht in großen, krakligen Lettern: „Verschwindet“ (allerdings falsch geschrieben).
2. Carr legt vor das Haus der Detektive eine tote Katze. Die hat er vorher mit einem Knüppel erschlagen. Da sie herrenlos war, wird sie von niemandem vermisst.
3. Carr zündet den Schuppen hinter dem Haus an. Dieser wird ganz abbrennen, wenn die Detektive nicht eingreifen; der Nieselregen und das feuchte Gras verhindern allerdings, dass sich das Feuer ausbreitet. Während die Detektive noch von dem ersten Brand abgelenkt werden, wirft Carr eine selbstgebastelte Ölbombe (wie ein Molotow-Cocktail) ins Haus; er wählt dazu ein Fenster mit noch intakter Glasscheibe, damit es nochmal so „richtig schön klirrt“. Allerdings wird dieses Geräusch auch von den Detektiven gehört, die sofort herbeieilen können. Großer Schaden entsteht durch die „Ölbombe“ nicht: Die Flasche besteht aus massivem Steingut, so dass sie beim Aufprall nicht zerplatzt ist und ihren Inhalt auf dem Boden verteilt hat. Auch die Flamme findet auf den feuchten Fußbodendielen keine Nahrung. Den Detektiven sollte daher klar sein, dass die Bombe keinen Schaden anrichten sollte und nur als weitere Warnung gedacht war.
Nach Carrs dritter Aktion kommt Hemmings nach Wilmcote und erkundigt sich bei den Detektiven, ob sie mittlerweile ihre Meinung über einen Verkauf geändert haben. Mit Carr hat er unmittelbar vorher zum ersten Mal seit dessen Abreise aus Stratford wieder Kontakt aufgenommen: Er reitet am Gehöft von Carrs Eltern vorbei und fragt ihn, wie es gelaufen ist. Schlagen die Detektive Hemmings Angebot erneut ab, geht die Anschlagsserie weiter, falls sie Carr bis dahin nicht gefasst und überführt haben. Von den Dorfbewohnern, die Hemmings gesehen haben, können die Detektive erfahren, dass es sich bei ihm um Hallertons Besucher handelte (s.o.).Hinweise auf Carr
1. Die Detektive können herausfinden, dass Carr anscheinend überraschend kurz vor Beginn der Anschläge in Wilmcote auftauchte, ohne dass es einen Grund dafür gibt (abgesehen von der vorgeschobenen Arbeitslosigkeit); er hilft nicht einmal auf den Feldern seines Vaters. So werden sie eventuell Zeuge, wie er abends den Pub besucht und von den anderen Dorfbewohnern (vor allem seinen „alten Kumpels“) erstaunt begrüßt wird.
2. Er geht den Detektiven jedenfalls in unalkoholisiertem Zustand aus dem Weg. Das fällt denen allerdings nur auf, wenn sie Verdacht geschöpft haben und ausdrücklich auf ihn achten.
3. Die Katze, die Carr erschlug, hatte er als Opfer auserkoren, weil sie ihm im Schafstall seiner Eltern überraschend von einem Balken aus ins Gesicht sprang und dort einige hässliche Krallenspuren hinterließ.
4. Carr ist kein abgefeimter, erfahrener Ganove. Lauern die Detektive ihm auf und stellen sich selbst einigermaßen umsichtig an, werden sie ihn fassen.
Konfrontieren die Detektive Carr mit ihrem Verdacht, gibt der schnell auf und liefert auch seinen Auftraggeber Hemmings ans Messer (so viel zahlt der nämlich auch wieder nicht). Eventuell kommt Hemmings von selbst zu den Detektiven, da er irgendwann in Wilmcote auftauchen wird, um das neue Kaufangebot zu unterbreiten (natürlich nicht, wenn er weiß, dass Carr gefasst wurde). Von Carrs Eltern wird er übrigens nicht gewarnt, wenn er vorher an ihrem Gehöft vorbeireitet: Der Vater ist mit seinem Knecht und einem anderen Sohn auf seinem Feld, die Mutter pendelt zwischen Andrew Payne, Nicholas Tooley und den Detektiven hin und her, um sie davon zu überzeugen, dass ihr Sohn Timothy kein Verbrecher, sondern nur ein „Verirrter“ ist und die anwesende jüngste Tochter hat strikte Anweisung, nicht mit Fremden zu reden. Haben die Detektive nicht dafür gesorgt, dass Carr von Payne eingesperrt wurde, und er mit Hemmings zusammentrifft, sagt er auch nichts: Er fürchtet (zu Recht) Hemmings Wut darüber, dass er alles ausgeplaudert hat. Wenn Hemmings fort ist, packt er ein paar Habseligkeiten ein und setzt sich zu Fuß in die nahe gelegene Industriestadt Birmingham ab.
Der voraussichtliche Ablauf des Kriminalfalls
Der Verlauf jedes Rollenspielabenteuers ist schwer zu planen; bei PE-Kriminalfällen fällt das noch um einiges schwerer, weil im Vordergrund die Recherchen der Detektive (bei denen unmöglich vorausgesagt werden kann, wann, wie und in welcher Reihenfolge sie vorgenommen werden.) und nicht von diesen unabhängige Ereignisse stehen. Das soll jedoch nicht heißen, dass der SL lediglich abwartet und auf Aktivitäten der Detektive reagiert:
Das vorliegende Abenteuer erfordert ständiges Improvisieren und nach Möglichkeit ein sachtes – im Idealfall unmerkliches – Leiten der Gruppe, damit diese die richtigen Spuren findet und die korrekten Schlüsse zieht. Außerdem muss der SL für eine logische und stets spannende Entwicklung des Kriminalfalles sorgen. Wenn die Spieler manche Indizien nicht finden und einige Schlüsse nicht ziehen, die für die Lösung des Abenteuers notwendig sind, sollte er sich nicht scheuen, nach dem altbewährten SL-Motto zu verfahren: „Wenn der Detektiv nicht zur Spur kommt, muss die Spur eben zum Detektiv kommen!“. Obwohl es also unmöglich ist, einen genauen Handlungsablauf vorzugeben, soll hier als Hilfestellung für den SL kurz skizziert werden, wie der Kriminalfall idealerweise ablaufen könnte:
1. Zuerst gehen die Detektive der „Hemmings-Spur“ nach: Sie treffen in Wilmcote ein und verbringen ihre erste Zeit damit, das Haus zu durchsuchen. Dabei entdecken sie die beiden Schriftstücke (s.o.), die weitere Hinweise geben: „Caliban“ und das Ambassador-Theater in London. Auch können sie erkennen, dass Hallerton in dem Haus etwas gesucht hat.
2. Die Detektive unterhalten sich mit einigen Dorfbewohnern und finden heraus, dass Hallerton ein Buch über Shakespeare schreiben wollte (N. Tooley) und davon ausging, dass Shakespeare sich gelegentlich in Wilmcote aufgehalten hat. Sie erfahren, dass Hallerton irgendeine Theorie hatte, die damit zusammenhing, dass in Shakespeares Geburtsjahr in Stratford die Pest wütete (Morton). Er besuchte in Stratford außerdem regelmäßig Theateraufführungen (F. Tooley), und zwar gemeinsam mit einem Bekannten (Morton). Verschiedene Dorfbewohner berichten, dass Hallerton anfangs Besuch von einem Mann erhielt, auf den Hemmings Beschreibung passt. Dieser Mann besuchte Hallerton nachher noch mehrere Male, achtete aber plötzlich peinlich darauf, nicht mehr gesehen zu werden (F. Tooley). Carrs Anschläge setzen ein.
3. Im Archiv des Londoner Ambassador-Theaters erfahren die Detektive, dass Hallerton das Fragment eines unbekannten Shakespeare-Dramas gefunden hatte und aus irgendeinem Grund anscheinend dachte, in dem Haus in Wilmcote den Rest finden zu können.
4. In Stratford unterhalten sich die Detektive mit S. Hunsdon und werden von diesem über die wahre Natur des Verhältnisses zwischen Hallerton und Hemmings aufgeklärt. Außerdem erfahren sie, dass sich Hemmings derzeit anscheinend irgendwo in Stratford aufhält.
5. Die Detektive sehen Shakespeares „Sturm“ im Memorial-Theater und wissen nun, wer mit „Caliban“ gemeint ist. Sie unterhalten sich mit Lowine und erfahren von diesem, dass er wahrscheinlich den Mörder kurz vor der Tat gesehen hat.
6. Die Detektive überführen Carr und damit auch Hemmings. Hemmings hat allerdings für die Mordnacht ein hieb- und stichfestes Alibi. Auch Lowine sagt aus, dass es nicht Hemmings war, den er gesehen hat.
7. Die „Hunsdon-Spur“: Die Detektive müssen sich zunächst ganz neu orientieren. Aufgrund des Hinweises von Morton (s.o.) sehen sie die Kirchenakten der Dreifaltigkeitsgemeinde ein und befragen S. Hunsdon über Hallertons Theorie bezüglich der Stratforder Pest. Hunsdon erzählt von Hallertons Vermutung, Shakespeare sei wegen der Pest in Wilmcote, und nicht in Stratford geboren. Er räumt auch ein, dass es deswegen zwischen ihnen zu einem leidenschaftlichen Streit gekommen sei.
8. Andere Augenzeugen schildern den Streit fälschlicherweise als ziemlich heftig (Stephen Chapman). Die Detektive verdächtigen S. Hunsdon, können sich aber trotzdem nicht vorstellen, dass er in seinem Alter den weiten Weg nach Wilmcote hin und wieder zurückgefahren ist, noch ohne dazu von irgendwem gesehen worden zu sein. Ein Alibi hat er allerdings nicht.
9. Die Detektive stellen Nachforschungen an, welche Vorteile S. Hunsdon die Unterdrückung von Hallertons Theorie gebracht hätte. Im Zuge ihrer Recherchen erfahren sie von den immensen Gewinnen, die das Museum im „Geburtshaus“ abwirft und dass diese hauptsächlich einer Person zugute kommen: Robert Hunsdon (Duncan oder S. Hunsdon selbst). Vor kurzem hat R. Hunsdon ein teures Grundstück in London erworben (Duncan), braucht also das Geld nötig.
10. R. Hunsdon behauptet, in der Mordnacht in einer Kneipe namens „The Merry Wives“ gewesen zu sein. Allerdings kann sich dort niemand an ihn erinnern. Auch ansonsten verwickelt er sich in Widersprüche (s.o.). Bei einer Gegenüberstellung erkennt ihn Lowine wieder.
Ende
Ein Kriminalfall ist natürlich nicht zu Ende, wenn man den Täter herausgefunden hat; man muss es vor einem Strafgericht auch beweisen können. Die Detektive haben die Aussage von Edmond Lowine, aber ihre juristische Erfahrung sagt ihnen, dass der labile, etwas zurückgebliebene Lowine einer jener Zeugen ist, die ein halbwegs cleverer Verteidiger auf der Gegenseite im Gerichtssaal in der Luft zerreißen wird. Deswegen ist es sicherer, Robert Hunsdons Geständnis einzuholen. Das hört sich schwerer an, als es ist: Die Detektive müssen seinem Vater Samuell von ihrem Verdacht berichten. Der wird ihnen natürlich zunächst kein Wort glauben. Da ihm dann aber doch Zweifel kommen, begleitet er die Detektive zu Robert; dieser streitet zuerst verständlicherweise alles ab. Daraufhin dringt sein Vater jedoch so tief in ihn ein, dass er schließlich gesteht.
Den Detektiven ist immerhin die kleine, wissenschaftliche Sensation gelungen, Shakespeares Mitautorenschaft an Fletchers „Heinrichs VIII.“ zu beweisen. Was mit dem Grundstück in Wilmcote geschieht, bleibt ihnen überlassen: Sie können es natürlich als „Shakespeares Wahres Geburtshaus“ vermarkten und auf das große Geld hoffen. Samuell Hunsdon wird ihnen dabei aber nicht helfen, da er von der Theorie nach wie vor nichts hält. Bevor sie die Sache mit „Heinrich VIII.“ publik machen, haben sie natürlich noch eine andere Möglichkeit: Sie gehen doch auf Hemmings Angebot ein und verkaufen ihm das Grundstück, das er so gern haben möchte. Dass es das Manuskript nicht gibt, müssen sie ja nicht unbedingt erwähnen…
Nachwort
Für zwei Details des Abenteuerhintergrundes habe ich mir die realen Ereignisse etwas „zurechtgebogen“: Zum einen ist das Drama „Heinrich VIII.“ bereits zu Shakespeares Lebzeiten bekannt gewesen, ebenso die Zusammenarbeit von Shakespeare und John Fletcher. Zum anderen handelt es sich bei der Annahme, Shakespeares Eltern seien vor der Pest auf ihr Landgut geflohen und der kleine William sei dort zur Welt gekommen, nur um eine Theorie. Allerdings habe ich sie nicht erfunden, sondern sie wird tatsächlich von einigen Leuten vertreten. Ihnen ist meines Wissens bisher lediglich kein Beweis gelungen.
Texte von Shakespeare und vielen anderen Autoren, auf die kein Urheberrecht mehr besteht, finden sich übrigens ungekürzt im Gutenberg-Projekt:
https://www.projekt-gutenberg.org/
Die URL des offiziellen Internet-Auftritts der Stadt Stratford upon-Avon lautet:
http://www.stratford-upon-avon.co.uk
Dort findet sich auch ein Stadtplan (aber leider kein historischer).
Jan Christoph Steines
Zugehöriges Material
Dieses Abenteuer wurde ursprünglich im Trodox Nr. 26 abgedruckt. Wir möchten uns bei der TX-Redaktion bedanken, dass wir es hier auf unserer Seite anbieten dürfen.
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